Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
durchaus zu, dass sie die Polizei rief und behauptete, ausgeraubt worden zu sein. Dann ließ sie den Schlüssel gut sichtbar mitten auf dem Schreibtisch zurück.
»Stella ist mit Jane nach unten gegangen«, verkündete Hayley, als Roz aus dem Schlafzimmer kam. »Sie hat so gezittert, dass wir dachten, sie kriegt einen Anfall, wenn sie nicht hier rauskommt. Roz, das arme Ding hat nur einen Koffer. Alles, was sie hat, passt in einen einzigen Koffer.«
»Sie ist noch jung. Sie hat noch viel Zeit, sich Sachen anzuschaffen. Hast du hier drin irgendetwas angefasst?«
»Nein. Ich dachte, na ja, wegen der Fingerabdrücke.«
»Kluges Kind. Komm, gehen wir.«
»Hast du sie?«
Roz klopfte auf die Tasche. »War so leicht, wie einem Baby Süßigkeiten abzunehmen, was Tante Clarise bekanntlich getan hat.«
Erst nachdem sie Jane in ihre neue Wohnung gebracht hatten und längst auf dem Nachhauseweg waren, fiel Roz auf, dass Hayley außergewöhnlich still war.
»Jetzt erzähl mir nicht, dass du dir Gedanken machst, Gewissensbisse hast oder so.«
»Was? Oh, nein. Nein. Die Tagebücher gehören dir. An deiner Stelle hätte ich die anderen Sachen, die aus Harper House stammten, ebenfalls mitgenommen. Ich dachte nur gerade über Jane nach. Ich weiß, sie ist jünger als ich, aber so viel nun auch wieder nicht. Und sie wirkt so, ich weiß nicht, zerbrechlich, und als hätte sie vor allem Angst. Trotzdem war das hier ganz schön tapfer von ihr, finde ich.«
»Sie ist nicht so, wie du damals warst«, sagte Roz. »Zum Beispiel hat sie nicht so viel Grips wie du, und ein helles Köpfchen hat man eben, oder man hat es nicht. Außerdem hatte sie keinen solchen Vater wie du. Einen, der sie liebte, ihr etwas beibrachte und ihr ein behütetes, glückliches Zuhause bot. Sie fühlt sich weder stark noch attraktiv; du dagegen weißt, dass du beides bist.«
»Sie braucht einen guten Haarschnitt und bessere Klamotten. He, Stella, wäre es nicht lustig, einen neuen Typ aus ihr zu machen?«
»Ganz toll, Mädel.«
»Nein, wirklich. Später, wenn wir dafür Zeit haben. Aber ich dachte auch daran, wie sie aussah, als sie in ihre kleine Wohnung kam. Wie dankbar und überrascht sie war, dass du ihr ein paar Sachen hast rüberbringen lassen, Roz. Nur das Nötigste, zum Beispiel ein Sofa und ein Bett, und ein paar Lebensmittel für die Küche. Ich glaube nicht, dass schon einmal jemand aus purer Freundlichkeit etwas für sie getan hat. Sie hat mir so Leid getan, und gleichzeitig habe ich mich so für sie gefreut – wie überwältigt und gerührt sie sich alles angeschaut hat.«
»Schauen wir mal, was sie daraus macht.«
»Du hast ihr die Chance gegeben, etwas zu tun. Genau wie mir und auch Stella damals.«
»Ach, fang doch nicht davon an.«
»Doch. Wir standen alle vor der gleichen Hürde, und du warst diejenige, die uns die Hand gereicht hat, um uns hinüberzuhelfen, damit wir weiterlaufen konnten. Jane hat jetzt eine eigene Wohnung und einen neuen Job. Ich habe ein süßes Baby und ein wundervolles Zuhause für die Kleine. Und Stella heiratet morgen.«
Als Hayley zu schniefen begann, verdrehte Roz im Rückspiegel die Augen. »Ich meinte wirklich, du sollst nicht davon anfangen.«
»Ich kann nicht anders. Ich bin so glücklich. Stella heiratet morgen. Und ihr beiden seid meine besten Freundinnen auf der ganzen Welt.«
Stella reichte Taschentücher nach hinten, behielt allerdings gleich eines für sich.
Insgesamt waren es sechzehn Tagebücher, sieben von ihrer Großmutter Elizabeth Harper und neun von ihrer Urgroßmutter Beatrice. Und alle waren von der ersten bis zur letzten Seite voll geschrieben.
Es gab auch einige Zeichnungen, stellte Roz beim flüchtigen
Durchblättern fest – das Werk ihrer Großmutter. Ihr wurde ganz warm ums Herz, als sie sie betrachtete.
Mitch brauchte ihr allerdings nicht erst zu sagen, dass sie zwar nun die Tagebücher hatten, dass diese zu lesen und Hinweise auf Amelia zu finden jedoch eine Sisyphusarbeit sein würde.
»Sie sind undatiert.« Stella rieb sich die Augen und lehnte sich auf dem Sofa im Salon zurück. »Soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen kann, hat Beatrice Harper nicht einen Band pro Jahr benutzt, sondern einfach jedes Buch voll geschrieben, egal, wie lange das dauerte, und dann ein neues begonnen.«
»Also sortieren wir sie, so gut wir können«, schlug Mitch vor, »teilen sie unter uns auf und lesen sie alle durch.«
»Ich hoffe, ich kriege eins, in dem es richtig zur
Weitere Kostenlose Bücher