Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
hereinkamen und sie den Tobsuchtsanfall hatte und mit Sachen um sich warf. Ich hatte an dem Abend in der Badewanne Angst, als sie mich unter Wasser drückte. Ich dachte, ich würde nie wieder solche Angst haben. Aber heute, als ich dastand und sie über das Feld auf mich zukommen sah, durch den Nebel, bekam ich regelrechte Panik. Ich sah ihr Gesicht, sah den Wahnsinn darin, eine Art irrsinniger Entschlossenheit. Von der Sorte, glaube ich inzwischen, die sogar den Tod überwindet.« Roz schüttelte sich ein wenig. »Ich weiß, wie das klingt, aber genau das hat sie getan, auf irgendeine Weise. Mit ihrem Wahnsinn hat sie den Tod überwunden, und nun kann sie sich nicht befreien.«
»Diesmal hat sie dich nicht angerührt? Dir nicht wehgetan?«
Roz schüttelte den Kopf. »Nicht einmal in ihrem allergrößten Zorn. Ich bekam keine Luft – es war, als würde ich Dreck einatmen, aber das kann zum Teil auch an meiner panischen Angst gelegen haben. Sie sprach vom Töten, davon, in Blut zu baden. In diesem Haus ist nie von einem Mord gesprochen worden, aber ich frage mich – o Gott, kann es sein, dass sie Amelia umgebracht haben? Einer aus meiner Familie?«
»Sie hat vom Morden gesprochen«, erinnerte Mitch sie, »nicht davon, ermordet zu werden.«
»Das stimmt, aber von einer Wahnsinnigen kann man nicht erwarten, dass sie alles so sagt, wie es war. Sie sagte, es war ihr Blut. Ob das nun stimmt oder nicht, sie glaubt es jedenfalls.« Roz atmete tief durch. »Und du auch.«
Mitch stand vom Schreibtisch auf, um zu ihr herumzukommen. Er nahm ihre Hände, zog sie von ihrem Stuhl hoch und in seine Arme. »Und was glaubst du?«
Ein Trost, dachte Roz, als sie den Kopf an seine Schulter lehnte. Ein Mann konnte einem so ein Trost sein, wenn man es nur zuließ. »Sie hat die Augen meines Vaters. Das habe ich heute ganz zum Schluss gesehen. Vorher ist es mir nie aufgefallen;
vielleicht habe ich es nicht sehen wollen. Mitch, hat er Amelia ihr Kind weggenommen, mein Urgroßvater? Kann er so kaltblütig gewesen sein?«
»Wenn unsere Vermutungen zutreffen, kann es auch sein, dass sie das Baby im Stich gelassen hat. Sie könnten eine Vereinbarung getroffen haben, die sie später bereute. Es gibt immer noch zahlreiche Möglichkeiten.«
»Ich möchte jetzt die Wahrheit wissen. Ich muss sie wissen, koste es, was es wolle.«
Roz löste sich von Mitch und brachte ein Lächeln zustande. »Aber wie um alles in der Welt sollen wir eine Frau ausfindig machen, die vielleicht die Geliebte meines Urgroßvaters war?«
»Wir haben einen Vornamen, eine ungefähre Altersangabe, und wir nehmen an, dass sie in der Gegend von Memphis gelebt hat. Damit fangen wir an.«
»Ist das angeborener Optimismus, oder versuchst du nur, Öl auf meine Wogen zu gießen?«
»Von beidem etwas.«
»Also gut. Ich hole mir jetzt ein Glas Wein. Möchtest du auch irgendetwas?«
»Ich müsste ungefähr vier Liter Wasser saufen, um die zwanzig Liter Kaffee auszugleichen, die ich mir heute reingezogen habe. Ich komme mit dir.« Er legte ihr den Arm um die Schultern, als sie zur Küche gingen.
»Möglicherweise muss ich das Ganze bis nach Stellas und Logans Hochzeit auf Eis legen. Der Termin ist unmerklich immer näher gerückt. So fordernd die Toten sich auch gebärden mögen, mir scheint, die Lebenden sollten doch Vorrang haben.« Roz nahm eine Flasche Wasser und eine frische Zitrone aus dem Kühlschrank. »Ich kann gar nicht glauben, dass die Jungs in ein paar Tagen nicht mehr hier wohnen.«
Sie schenkte Wasser ein, schnitt die Zitrone in Scheiben; dann reichte sie Mitch das Glas.
»Danke. Ich schätze, sie werden so oft hier sein, dass du das Gefühl bekommst, sie wohnten doch noch hier.«
»Das wäre schön.« Roz schenkte sich Wein ein, doch noch ehe sie einen Schluck trinken konnte, klingelte das Telefon. »Wo steckt eigentlich David?«, fragte sie und nahm selbst den Hörer ab. Nachdem sie kurz zugehört hatte, lächelte sie Mitch an. »Hallo, Jane«, sagte sie und erhob ihr Glas.
»Ist das aufregend. Wie in einem Spionagethriller oder so was.« Hayley wippte auf den Zehenspitzen, als sie, Roz und Stella mit dem Aufzug zu Clarise Harpers Wohnung hinauffuhren. »Ich meine, wir verbringen den Vormittag damit, uns Maniküren und Pediküren machen zu lassen, und am Nachmittag schleichen wir auf der Jagd nach geheimen Dokumenten herum. Das ist der helle Wahnsinn.«
»Sag das später, wenn sie uns verhaftet haben und wir die Nacht im Knast verbringen«,
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