Dunkle Schatten (German Edition)
langweilig.«
»Ich lege mich für ein paar Minuten auf der Liege hin«, beschließt Lena,
»mir fallen bereits die Augen aus dem Kopf.« Sie streckt sich durch und macht
dabei ein paar einfache Gymnastikübungen. »Ich hoffe, dieser Zirkus dauert
nicht mehr allzu lange. Damit endlich wieder das Leben in geordneten Bahnen
verläuft«, murmelt sie vor sich hin.
»Was sagst du, Schatz?«
»Nichts von Bedeutung.«
Lena schaltet das Radio ein und lässt sich von dem Einheitsmusikbrei, der
nahezu auf allen Sendern gleich ist, berieseln, während Kokoschansky weiterhin
über den Papieren brütet, sich Notizen macht und nicht ablenken lässt.
Plötzlich richtet Lena sich auf ihrer Liege kerzengerade auf, dreht das
Radio lauter.
»Hör mal …«
»Was ist?«, fragt Kokoschansky gedankenverloren und unwirsch, weil er aus
seiner Konzentration gerissen wird.
»… wie erst jetzt bekannt wurde, kam es gestern Abend zu einem mysteriösen
Überfall in einem Wiener Wohnhaus. Das Opfer ist ein derzeit suspendierter
Beamter des Bundeskriminalamtes Wien, der ersten Erhebungen nach brutal
zusammengeschlagen und dabei schwer verletzt wurde. Gefunden wurde der Mann von
einem heimkehrenden Mieter. Das Opfer konnte bisher zu den näheren Umständen
der Tat nicht befragt werden, da es in künstlichen Tiefschlaf versetzt wurde.
Das Motiv liegt derzeit völlig im Dunkeln. Die Polizei ersucht etwaige Zeugen,
sich direkt im Bundeskriminalamt oder in einer der Polizeiinspektionen zu
melden …«
»Lackner oder Erharter?« Lena ist wieder hellwach. »Wen hat es erwischt?«
»Die gute Tat zum Tag«, bemerkt Kokoschansky zynisch ohne eine Spur von
Mitgefühl. »Da hat wohl noch jemand eine Rechnung offen gehabt. Um
herauszufinden, wen es von den beiden erwischt hat, genügt ein Telefonanruf.«
»Ja, das verursacht wirklich keine Mühe.« Lena hat sich vor die Monitore
gesetzt, die ihre gemeinsame Wohnung überwachen, spielt mit dem Joystick herum
und glaubt, ihren Augen nicht zu trauen, als sie den Bereich vor der
Eingangstüre abtastet. »He, Koko! Das musst du dir ansehen!«
Edmund Katterka tritt von einem Fuß auf den anderen, während er den
Klingelknopf drückt.
»Interessant«, Kokoschansky sieht nahezu belustigt zu, obwohl ihm Düsteres
durch den Kopf geht. »Der wird doch wohl nicht auch unser Klo benutzen wollen,
weil er gar so hektisch herumsteigt.« Dann wird er sehr ernst. »Katterka glaubt
wohl, ich hätte mit der Sache zu tun. Einen anderen Grund gibt es wohl nicht,
dass er bei uns antanzt.«
»Hm, mir fällt auch nichts anderes ein. Eigentlich war ich nicht
begeistert, dauernd unsere Aufenthaltsorte zu wechseln, doch was ich sehe,
bestärkt mich. Es war die richtige Entscheidung.«
Inzwischen hat Katterka es aufgegeben und verlässt das Haus.
»Ich habe gerade überlegt, ob es klug ist, ihn anzurufen oder einfach zu
ihm ins Büro zu fahren«, sagt Kokoschansky, »aber wozu?«
»Nein, das wäre nicht klug«, ist Lena mit ihm einer Meinung und zündet
sich eine Zigarette an. »Wir sind noch immer die berühmte Nasenlänge voraus.
Wir sind quasi untergetaucht, nur für bestimmte Leute erreichbar. Katterka ist
ein kluger Kopf und gerissen. Ich bin überzeugt, dass er bereits seine Schlüsse
gezogen hat. Er wird inzwischen wissen, dass du in Montenegro warst und sich
seinen Reim darauf machen.«
»Trotzdem will ich wissen, ob es Lackner oder Erharter erwischt hat. Ich
werde Cench anrufen. Vielleicht kann er mir auch helfen, Bortners Familie
ausfindig zu machen.«
*
Die drei Männer umrunden den romantischen Weiher auf dem weitläufigen
Landsitz von Adolphe Mannsbergkh-Souilly in der Steiermark nun schon zu dritten
Mal. Tief ins Gespräch vertieft, haben sie kein Auge für die wunderschöne
Herbstlandschaft.
Markus Schloimo hielt Wort, hatte sofort den Grafen verständigt, als
Tilman Hannover sich aus Berlin angesagt hatte. Mannsbergkh-Souilly schlug sein
Anwesen als ungestörten Treffpunkt vor. Hannover reiste alleine an und wurde
vom Flughafen Schwechat von einem Angestellten des Grafen abgeholt und direkt
in diese abgeschiedene Gegend gefahren. Nach einem üppigen Lunch im Schloss stapfen
sie nun gemächlich am Ufer des Weihers entlang, die Hände tief in den
Manteltaschen vergraben, da es doch empfindlich frisch ist, obwohl die Sonne
noch ihre letzten Kämpfe gegen den bevorstehenden Winter ausficht.
»Ich versichere euch nochmals, meine Herren«, betont der schlaksige,
smarte, vierzigjährige Tilman
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