Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
dagegen nichts einzuwenden, Commodore.« Callison verschränkte die Hände auf dem Rücken, was ihm ein wenig das Aussehen eines Professors während einer Vorlesung verlieh. »Ich würde es allerdings nicht empfehlen, da er im Augenblick recht wankelmütig ist. Außerdem haben wir ihn massiv unter Beruhigungsmittel gesetzt, auch wenn er weit genug bei Bewusstsein sein sollte, um Sie wahrzunehmen.«
»Ich verstehe.«
Einige Decks zogen vorüber, ehe Jackie ihre nächste Frage stellte. »Mich interessiert Ihre professionelle Meinung«, sagte sie schließlich. »Ist Admiral Tolliver fähig, über die Geschehnisse auf Sargasso zu berichten?«
»Sie meinen einen offiziellen Bericht, nicht wahr?« Callison rieb sich nachdenklich das Kinn. »Das kommt drauf an, Commodore.«
»Worauf?«
»Nun …« Wieder nahm er die Vorlesungshaltung ein. »Wie Sie wissen, wurde Admiral Tolliver in einem äußerst erregten Zustand angetroffen, Commodore. Er war extrem gewalttätig und musste gefesselt werden. Erheblicher medizinischer Aufwand und etliche Dosen Quintivalium haben zwar bewirkt, dass sich diese Verfassung gebessert hat, doch ich vermute, wenn die Fühlenden erwähnt werden, könnte er einen neuen Wutanfall bekommen …«
»Ich weiß. ›Mehrere Individuen reagierten mit Wutanfällen, als in ihrer Gegenwart eine Untersuchung durch Fühlende angesprochen wurde …‹ Fahren Sie fort.«
»Der Admiral«, sagte Callison, »wird in recht vernünftiger Weise über seine Erfahrungen sprechen, und in sich ergeben seine Schilderungen auch einen Sinn. ›In sich‹ wohlgemerkt.«
Der Lift stoppte seine Aufwärtsbewegung und glitt dann in der Horizontalen weiter. »Das Ergebnis seiner Äußerungen steht dagegen im völligen Widerspruch zu der Realität, die wir wahrnehmen.«
»Erklären Sie das bitte näher.«
»Admiral Tolliver kann einen präzisen und lückenlosen Bericht der Ereignisse abliefern, von denen er behauptet, er habe sie erlebt. Berücksichtigt man allerdings, worüber er redet, dann würde jedes Militärgericht die Darstellungen als das abtun, was sie in Wahrheit auch sind: die Schilderungen eines Verrückten.«
Mit einem deutlichen Zittern kam der Lift zum Stehen, woraufhin Maartens das Gesicht verzog, als wolle er sagen: Ich sollte das verdammte Ding besser endlich reparieren lassen.
Die drei Offiziere verließen die Kabine und wurden von einigen Offiziersanwärtern gegrüßt, die auf den Lift warteten.
»Tatsächlich ist es sogar so, Commodore«, fuhr Callison fort, »dass ich dringend davon abraten möchte, den Admiral noch weiter aufzuwühlen. Ich glaube nicht, dass Sie von ihm irgendetwas erfahren werden, was nicht bereits das professionelle Personal aus ihm herausgeholt hat.« Sie gingen durch eine Tür, die sich auf Callisons Handbewegung hin geöffnet hatte, und fanden sich in der Krankenstation wieder. Der Arzt führte sie in sein Büro und deutete auf ein paar Stühle, während er sich an seinen Schreibtisch setzte und medizinische Akten aufrief, die als Holo über der Tischplatte erschienen.
»Ich will nicht Ihre Berichte in Frage stellen«, sagte Jackie nach einer kurzen Pause, die sie gebraucht hatte, um sich von Callisons letzter Bemerkung nicht aus der Fassung bringen zu lassen. »Die waren ausgesprochen umfassend und gründlich. Allerdings wird uns die Admiralität in Kürze sehr genau auf die Finger schauen, und ich muss mir meiner Haltung in der Angelegenheit sicher sein. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Klar und deutlich, Ma’am«, sagte Maartens schnell, da es so aussah, als wolle der Chefarzt irgendeinen Kommentar von sich geben.
Callison brummte vor sich hin, sah seinen Vorgesetzten lange an und wandte sich erst dann Jackie zu. Er reichte ihr einen Computer, den sie in ihre Brusttasche steckte.
»Darauf finden sich alle zusätzlichen Informationen, die Sie benötigen. Vor Admiral Tollivers Quartier hält ein MP Wache, der Sie in die Kabine begleiten wird, während Sie mit Tolliver reden. Er soll sofort eingreifen, wenn sich Schwierigkeiten ergeben.«
»Glauben Sie nicht, dass Tolliver gehemmt sein wird, wenn …«
»Commodore, ich bitte um Entschuldigung, aber ich übernehme keine Verantwortung, wenn Sie ohne Begleitung das Quartier des Admirals betreten. Der MP hat seine Befehle für den Fall, dass mein Patient gewalttätig wird. Ich habe ebenfalls meine Befehle.« Er blickte zurück zu Maartens.
»Es dient nur Ihrem Schutz«, fügte Maartens an.
»Meinem …«
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