Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
war: ein gefürchteter, aber respektierter, vertrauter und doch völlig fremder Commodore.
Sie müssen es gemerkt haben, dachte sie, als sie mit Ch’k’te über den Paradeplatz vor dem Kommandozentrum in Richtung der Offiziersquartiere ging. Sie müssen einen Unterschied bemerkt haben, einen veränderten Stil oder Tonfall, irgendetwas. Nichts und niemand konnte sie so perfekt ersetzen, dass keinem ein Unterschied aufgefallen wäre.
Sie beobachtete, wie ein Schwarm Vindicator-Abfangjäger in den Morgenhimmel aufstieg und Kondensstreifen hinter sich herzog. So oft hatte sie das mitangesehen, und doch kam es ihr jetzt neu und ungewöhnlich vor.
Wie konnte ein Alien so mühelos ihren Platz einnehmen? Kannten ihre eigenen Leute sie so schlecht, dass dieser … dieser R’ta, dieser Vuhl … sie ersetzen konnte, ohne dass irgendwem Zweifel kamen?
Der arme John Maisel hatte nichts gewusst, bis sie ihn aufklärte. Hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen – Sekunden, bevor der Alien ihn mit nichts weiter als einem einzigen Gedanken tötete –, wäre er sicherlich auch nicht restlos davon überzeugt gewesen.
Es gibt noch schwerwiegendere Fragen, machte sie sich bewusst, während sie einen Fuß vor den anderen setzte und gegen den kalten Wind ankämpfte. Wenn R’ta sie tatsächlich komplett ersetzt hatte, wer war sie dann überhaupt noch? Die Ersatzfrau für die Ersatzfrau? Wenn dem so war, was bedeutete das dann für sie? Welche Identität besaß sie dann wirklich?
Sie blieb stehen, da die Konsequenzen ihrer Überlegungen ihre Gedanken ins Trudeln brachten. Auch Ch’k’te hielt an, eine Hand nahe der Pistole an seinem Gürtel.
»se Jackie?«, fragte er leise, seine Stimme war hörbar angespannt.
»Ich …« Sie sah ihn an, dann schaute sie hinüber zu den flachen Gebäuden. Eine plötzliche Bö ließ die Flaggen am Platzrand heftig flattern, die Zugseile schlugen gegen die Metallmasten und erzeugten ein hohles Echo.
Selbst wenn kein Alien ihren Platz übernommen hätte, kam sie sich durch die Ereignisse der letzten Tagen wie ein Eindringling vor. Es war fast so, als würde sie Cicero Down und alles darin plötzlich mit Augen sehen, die für andere, völlig neue Eindrücke offen waren.
»se Jackie.«
Es fiel ihr entsetzlich schwer, sich mit allem Geschehenen abzufinden.
»se Jackie, wir werden beobachtet.«
Wieder zerrte der Wind an den Flaggen. Jackie drehte sich um und betrachtete Ch’k’te, als würde sie auch ihn zum ersten Mal sehen.
»Was … was sagten Sie?«
»Wir werden beobachtet. Ich glaube, wir wurden soeben von einem mächtigen Fühlenden sondiert. Es wäre nicht gut, noch länger hier draußen zu bleiben und darauf zu warten, dass jemand auf uns schießt.«
»Ja … ja, Sie haben natürlich Recht.« Sie gingen schnell zurück, während Jackie energisch den Kopf schüttelte, um sich von den Gedanken zu befreien, die sich in ihr breit gemacht hatten.
Während vier Schiffe in das Schwerkraftfeld eintauchten, blieb der Rest der Flotte nahe dem zum Orion gelegenen Sprungpunkt zurück, den Tolliver benutzt hatte.
Als auf der Brücke der Pappenheim das Tiefenradar überwacht wurde, der Masse- und Sprungstörungen registrierte, verschwanden einzelne Anzeigen plötzlich und tauchten ebenso unvermittelt wieder auf.
Irgendetwas wartete dort draußen – vielleicht auf ein Signal, um zu materialisieren. Es gefiel Georg Maartens nicht, dass sich ein unbekannter Feind nahe einem Sprungpunkt aufhielt, während ein großer Teil der Verteidigungsflotte sich tief im Schwerkraftfeld befand. Aus taktischen Erwägungen war das eine beängstigende Feststellung.
Jackie und Ch’k’te gingen zum Hauptgebäude, wo sich die dem Gyaryu ’har zugeteilten Quartiere befunden hatten, se Sergeis Räume lagen gleich neben dem Gewächshaus, in dem viele Pflanzen wuchsen, die man sonst nur aus Zor-Gärten kannte. Es war Ch’k’tes bevorzugter Ort, um zu meditieren, und während seiner Zeit auf Cicero hatte er ihn passend einrichten können.
Um diese Zeit am Morgen war das Gebäude leer. Als sie durch die Korridore gingen, hallten ihre Schritte viel zu laut, so als würde man eine automatische Waffe abfeuern. Niemand zeigte sich, um sie aufzuhalten.
Es war erschreckend einfach, bis zur Tür im Inneren vorzudringen, die zur Suite führte. Keine Wache war da, keine Verteidigung, und kein Hinweis darauf, dass sich der Feind auf sie vorbereitete.
Auf ein Handzeichen von Jackie hin glitt die Tür zur Seite, um den
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