Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
d’Enghien gegen Kameraden zu richten, machte die Mission das erforderlich.
Es war wie ein Übungsgefecht, nur dass es real war. Zielt auf den Antrieb, dachte sie. Ihr müsst sie nicht in Stücke schießen, um sie vom Himmel zu holen. Aber wenn man in zehn Kilometern Höhe bei Mach fünf kämpfte, blieb einem nicht viel Zeit nachzudenken.
In einer kleinen Kapsel mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Metern pro Sekunde auf einen Planeten zuzufallen, während ringsum das Abwehrfeuer hochging, hatte etwas von einem perversen Vergnügen. Es war die gleiche Begeisterung, die Fallschirmspringer über die Jahrhunderte hinweg immer schon verspürt hatten, eine Begeisterung, die sich irgendwo zwischen dem Gefühl eines Orgasmus und unterwürfiger Angst bewegte.
Wie seltsam, dachte Marine Master Sergeant James Agropoulos, während er durch die Atmosphäre der Planetenoberfläche entgegen sank. Was einem alles durch den Kopf geht, wenn man mitzählt, bis man den Fallschirm öffnen kann. Habe ich dem Lieutenant den Dienstplan für die nächste Woche gegeben? Habe ich nicht vergessen, meinen Spind abzuschließen? Wird mich ein Geschoss treffen und meinen Körper in mikroskopisch kleine Stücke zerreißen? Und selbst wenn nicht – wird sich der Fallschirm öffnen und verhindern, dass ich beim Aufprall zu Matsch zerdrückt werde?
»Entspann dich und genieß den Flug«, sagte er sich. Das riet Dante Simms den Rekruten bei Trainingssprüngen, kurz bevor die Kapsel geschlossen und abgefeuert wurde. Sieh es doch mal so, überlegte er. Wenn dich ein Geschoss trifft oder der Fallschirm nicht so will, wie er soll, dann kannst du es nicht ändern. Und wenn du durchkommst, kannst du dir nach der Landung über genug andere Dinge Gedanken machen.
Einen Moment lang musste er an seine Vorfahren denken, die Erde und Himmel mit Göttern und Halbgöttern bevölkert hatten, welche dann den abergläubischen Sterblichen, von denen sie angebetet wurden, willkürlich Hilfe gewährten oder verweigerten. Würde sein Fallschirm ihn im Stich lassen, dann war da kein Zeus, der eine große Hand ausstrecken und ihn auffangen konnte, aber es gab auch keinen eifersüchtigen Apoll, der die Schnüre durchschneiden und sein Leben in Gefahr bringen würde. Dennoch war es kein Trost, dass seine Existenz so oder so in den Händen einer höheren Macht lag.
Entspann dich, wiederholte er und sah kurz auf seine Armbanduhr. Entspann dich und genieß den Flug.
Etwas war geschehen.
Ch’k’te erwachte, sein Mund war trocken, seine rechte Schulter schmerzte. Eine kalte Brise wehte über ihn hinweg. Er befand sich immer noch im Garten, doch Jackie und Noyes waren fort.
Er griff nach seinem Gürtel und stellte fest, dass die Pistole verschwunden war. Sein chya steckte wenigstens noch in der Scheide. Er setzte sich auf und zog die Klinge, verspürte die vertraute Geistberührung seines gyu’u …
Auf einmal lief ihm ein eisiger Schauer über den ganzen Körper, der kälter war als der Luftzug, der durch die zerbrochene Kuppel hereingetragen wurde. Sorgfältig erkundete er seinen Geist und stellte ungewohnte Muster fest, gesteigerte und geschwächte Potenziale, kaum verdeckte neurale Konfigurationen. Sein Geist war sondiert worden … nein, das war eine viel zu harmlose Bezeichnung.
Man hatte ihn dominiert und sich dann seiner entledigt.
Wut, Angst und Scham stiegen in ihm auf und versuchten, die Oberhand zu gewinnen, während ihm die Konsequenzen dessen bewusst wurden, was geschehen war.
Die Scham triumphierte über alles andere. Mit beiden Händen hielt er das chya fest, fühlte das leise Summen, das auf seine Hände übersprang, als er die Klinge umdrehte, bis sie auf seine Brust zeigte. Er begann, eine Litanei zu sprechen, um esLi um Segen und Vergebung zu bitten.
Einen Augenblick später hielt er inne und ließ das zum Teil geladene chya fallen. Dann sah er auf seine Krallen. Das gyu ’u in der Klinge schien knurrend zu protestieren, doch das ignorierte er.
Du hast eine Pflicht zu erfüllen, ermahnte er sich. Der Tod kann warten, bis du fertig bist.
Zorn gewann nun die Oberhand, doch er drängte ihn zurück, nahm die Klinge in beide Hände und stand auf. Er hielt sie fest umschlossen und konzentrierte sich, wobei er die Augen schloss.
Als er sie wieder öffnete, betrachtete er sein chya, das auf ganzer Länge das Sonnenlicht widerspiegelte. Er hob den Blick und schaute durch das zerbrochene Permoplast über ihm, wo er zwei Jäger ausmachen
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