Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
Blick in das Apartment freizugeben. So wie ihr eigenes Büro war alles aufgeräumt, sauber und leer. Im vorderen Teil des Raums stand eine Schlafgelegenheit, aus der Wand ragte ein Griff heraus, der vermutlich montiert worden war, damit se Sergei sich beim Aufstehen und Hinlegen daran festhalten konnte. Auf einem kleinen Tisch in der Raummitte stand ein extrem altes und aufwendig gearbeitetes 3D-Schachspiel, die Figuren waren Helden und Dämonen der Zor nachempfunden.
Am anderen Ende konnte man durch die von der Decke bis zum Boden transparente Wand das Atrium sehen. Der Vorhang war halb zugezogen, aber die Glastür stand ein Stück weit offen.
Jackie sah zu Ch’k’te, dann ging sie langsam weiter, in einer Hand ihre Pistole. Sie gab ihm ein Zeichen, und er ging in Deckung. Langsam drückte sie die Tür auf, dann war sie mit einem Satz im Garten und blinzelte, da die grelle Morgensonne den Raum durch die transparente Kuppeldecke mit Licht überflutete.
Erschrocken blieb sie stehen. Der Garten war stets einen Besuch wert. Augen und Nase jedes Besuchers wurden von allen Seiten förmlich überwältigt, von vertrauten und fremden Dingen gleichermaßen. Doch diesmal schien hier überhaupt nichts zu wachsen, stattdessen lag über allem ein übler Geruch von Verfall, der ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Sie spürte, dass Ch’k’te dicht hinter ihr war, dennoch sah sie sich kurz nach ihm um. Als sie sich dann wieder auf den Garten konzentrierte, entdeckte sie Sergeis Rollstuhl, der unter einem Thasi-Baum stand, mit dem Rücken zu ihr.
Es gelang ihr, der Versuchung zu widerstehen, seinen Namen zu rufen. Stattdessen ging sie weiter, während das Geräusch ihrer Schritte von den Fliesen des Gartenwegs laut zurückgeworfen wurde. Sie hatte den Rollstuhl fast erreicht, als der sich langsam in ihre Richtung drehte.
Das vertraute Gesicht des Gyaryu’har sah sie an, die gebrechliche menschliche Gestalt in ein gestepptes Zor-Gewand gehüllt, das mit komplexen hRni ’i-Mustern verziert war. Über die Brust hatte er eine graue Decke gelegt, die alten, knorrigen Hände lagen gefaltet im Schoß.
»se Sergei?«, fragte sie den Mann im Rollstuhl.
Im gleichen Moment traf sie die Erkenntnis, dass das nicht der Gyaryu’har war. Es waren seine Augen, die ihn verrieten, denn sie brannten so vor Zorn, dass sie ihr unwillkürlich Angst einjagten. Es war bestenfalls eine Karikatur von se Sergei. Die tiefliegenden Augen schienen immer größer zu werden, um sie in sich aufzunehmen.
»Ich glaube, ihm sind wir schon begegnet«, hörte sie Ch’k’tes Stimme hinter sich. Sie wandte für eine Sekunde den Blick von dem Mann im Rollstuhl ab, und als sie wieder hinsah, verschwamm das Bild und nahm die Gestalt eines anderen Menschen an.
Mit aller Willenskraft hob Jackie ihre Pistole und richtete sie auf Bryan Noyes.
»Commodore Laperriere«, sagte er mit schmerzlich vertrauter Stimme. »Wie nett von Ihnen, dass Sie hergekommen sind. Ihre Waffe können Sie ebenso gut auch wegstecken«, fuhr er fort und schnippte einmal kurz mit den Fingern, woraufhin sein Rollstuhl sofort einen Meter oder mehr nach hinten fuhr. »Mag sein, dass Sie Glück hatten und dem dummen R’ta und seinem Versuch entgehen konnten, Sie zu dominieren. Rechnen Sie lieber gar nicht erst damit, dass Ihnen das bei mir auch gelingen könnte.« Er stand auf, zog das Gewand aus und warf es auf den Rollstuhl, dann machte er einen Schritt auf Jackie zu.
Sie versuchte, den Abzug zu betätigen, musste aber feststellen, dass es ihr nicht gelingen wollte. Der Alien imitierte Noyes perfekt: sein Auftreten, seine Art zu gehen, sogar die besonderen Betonungen, wenn er redete.
»Ich sagte der Großen Königin, R’ta sei zu jung und unerfahren, doch sie wollte nicht auf mich hören. Sie waren klüger, als ich es erwartet hätte, Commodore – Sie und Ihr Zor-Lustknabe hier.«
Jackie hörte – nein, sie fühlte, wie Ch’k’te seine Krallen ausfuhr, doch sie konnte nicht mal den Kopf drehen, um ihn anzuschauen.
Sie nahm ein leichtes Sondieren wahr, dann hörte sie in ihrem Kopf, wie Ch’k’te ihren Namen rief.
»Oh, nein, damit fangen wir nicht an. Schlafen«, sagte Noyes und sah für die Dauer eines Herzschlags zu Ch’k’te.
Jackie hörte, wie ihr XO hinter ihr den Halt verlor. Dann strich sein linker Flügel kurz über ihr Bein, als er zu Boden sank. Angst um Ch’k’te erfüllte sie.
»Also dann«, sagte Noyes. »Ich glaube, das Spiel ist jetzt weit
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