Dunkle Sehnsucht des Verlangens
Mir
ist es ernst: Ich werde ein wenig Urlaub von der Familie machen. Es ist für
mich höchste Zeit, meinen eigenen Weg zu gehen.« Syndils Stimme klang trotzig.
»Darius wird dir niemals
erlauben, allein fortzugehen«, wandte Desari leise ein. »Er würde einen der
Männer zu deinem Schutz abkommandieren.«
Ein großer Leopard trat aus dem
Dickicht hervor und sprang anmutig auf einen tief hängenden Ast. Regungslos
saß er da und starrte die beiden Frauen an. Syndil warf dem Tier einen wütenden
Blick zu. Desari schüttelte den Kopf.
Barack, du darfst sie nicht
so bedrängen. Wenn du so weitermachst, wird Syndil weglaufen. Desari benutzte den
gewöhnlichen telepathischen Pfad ihrer Familie, um ihm Syndils Verzweiflung
deutlich zu machen.
Ohne Darius' Einverständnis
ivird sie nicht weit kommen. Und selbst wenn er es ihr gestatten würde, könnte
sie nirgendwo hingehen, ohne dass ich ihr folgen würde. Seine Stimme klang
überheblich.
Ohne Vorwarnung tauchte Julian
plötzlich neben Desari auf und legte ihr beschützend den Arm um die Schultern.
Mit einem bedrohlichen Schimmer in seinen goldbraunen Augen musterte er den
Leoparden. Er hatte Desaris Gedanken gelesen und war sofort an ihre Seite
geeilt. In diesem Augenblick hatte Julian nichts Freundliches mehr an sich,
sondern war nur noch der gefährliche, unbeugsame Krieger, der in seinem Leben
durch eine harte Schule gegangen war.
Du darfst sie nicht von uns
entfremden, mahnte Desari. Bitte, Barack, du musst behutsamer mit ihr umgehen. Du
verstehst nicht, was mit ihr geschehen ist. Sie braucht Zeit, um sich davon zu
erholen.
Ich verstehe viel mehr, als du
glaubst, Desari. Syndil nimmt nicht mehr am Leben teil, sondern existiert nur
noch in ihrer eigenen Welt. Ich kann nicht zulassen, dass es so weitergeht. Baracks Stimme klang
kalt und unbewegt.
Desaris dunkle Augen füllten
sich mit Tränen. Sie wandte sich um und schmiegte ihren Kopf an Julians
Schulter. »Bitte, Syndil, du darfst mich nicht verlassen. Nicht jetzt. Ich
brauche dich. Alles hat sich verändert.«
Zärtlich berührte Syndil ihre
Hand. »Wenn das so ist, werde ich nicht zulassen, dass Barack mich aus meiner
eigenen Familie vertreibt. Ich werde schon mit ihm fertig werden.« Wieder warf
sie dem Leoparden einen wütenden Blick zu, doch dieser musterte sie, ohne auch
nur zu blinzeln. Sie nickte Julian zu, wandte sich dann um und verschwand im
Wald. Lautlos sprang der Leopard von seinem Ast und folgte ihr.
Desari blickte zu Julian auf.
»Weißt du eigentlich, wie einschüchternd du aussehen kannst, wenn du willst?
Dachtest du, Barack wollte uns etwas antun?«
Gleichmütig zuckte Julian die
Schultern. »Darum ging es nicht, cara. Mir gefiel nur nicht, wie er dich behandelte. Diese
Männer scheinen zu glauben, das Recht zu haben, sich in das Leben von euch
Frauen einzumischen. Nur deinem Bruder steht das zu, denn er ist der anerkannte
Anführer eurer Familie. Zwar ist es die Pflicht der anderen Männer, euch zu
beschützen, wie Barack Syndil beschützt hat. Doch er darf dich nicht
zurechtweisen. Du bist meine Gefährtin und unterstehst nur mir und dem Prinzen des
karpatianischen Volkes. In deinem Fall vielleicht noch Darius.«
Desaris dunkle Augen funkelten
zornig. »Ich unterstehe dir?« Ihre Stimme klang gefährlich ruhig und sanft. Es
handelte sich ganz offensichtlich um die Ruhe vor dem Sturm.
Julian rieb sich den Nasenrücken
und bemühte sich, nicht zu lächeln. »So, wie ich dir unterstehe. Und dem
Prinzen unseres Volkes.«
Desari musterte ihn eingehend.
Offenbar amüsierte es Julian, wenn sie für die Rechte der Frauen eintrat. Das
konnte sie nur allzu deutlich in seinen Gedanken lesen, obwohl er klug genug
war, sich nichts anmerken zu lassen. Und trotzdem freute es sie, dass Julian
sich bemühte, sie als gleichberechtigt zu behandeln. Auch wenn er es manchmal
für nötig befand, seiner Gefährtin Vorschriften zu machen, war er doch immerhin
fair genug, auch ihr dieses Recht einzuräumen. In mancher Hinsicht war Julian
ein Chauvinist wie die meisten Männer, die Desari je kennen gelernt hatte, doch
wenigstens unternahm er hin und wieder den Versuch, eine gleichberechtigte Partnerschaft
mit ihr zu führen. Zärtlich hakte sie sich bei ihm ein. »Ich glaube wirklich,
dass ich mich allmählich in dich verliebe.«
Sein Lächeln drückte die übliche
männliche Überheblichkeit aus. »Du bist bereits bis über beide Ohren in mich
verliebt. Sieh es endlich ein, cara mia, du kannst mir nicht
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