Dunkle Sehnsucht des Verlangens
ist nicht so leicht umzubringen.«
»Ich weiß.« Dann gab Desari ihre
größte Angst zu. »Aber er ist schon so lange unglücklich. Ich fürchte, er
könnte eines Tages zulassen, dass ein anderer ihn tötet, damit er nicht mehr
weiterleben muss.«
»Wir sind alle unglücklich
gewesen«, erklärte Syndil und drückte Desari sanft auf die Couch. »Savon hat
mir und uns allen etwas angetan, das uns verändern musste. Aber Darius würde
uns nicht im Stich lassen. Niemals, nicht einmal durch eine Unachtsamkeit.«
»Also glaubst du, dass er
leichtsinnig war?« Der Gedanke erschreckte Desari nur noch mehr. Wenn ihr
Bruder tatsächlich durch seine eigene Unbesonnenheit verletzt worden war, waren
ihre Ängste begründet.
»Nimm mein Blut, Desari. Ich
gebe es dir und Darius gern und hoffe, dass es euch beiden Kraft und Frieden
verleiht «, raunte Syndil ihr zu. Mit einem spitzen Fingernagel öffnete sie
ihr Handgelenk und hielt es Desari hin. »Für Darius, wenn schon nicht für dich
selbst.«
Desari trank und beugte sich
dann über ihren Bruder, um ihm ins Ohr zu flüstern: »Nimm von mir an, was ich
dir aus freien Stücken gebe, Bruder. Trink um deinetwillen und für alle, die
unter deinem Schutz stehen. Ich gebe mein Leben hin, damit du weiterleben
kannst.«
»Desari!«, protestierte Syndil
scharf. »Darius weiß vielleicht nicht, was er tut. Du darfst so etwas nicht
sagen.«
»Aber es stimmt«, erwiderte
Desari leise und strich Darius übers Haar. »Er ist der wunderbarste Mann, dem
ich je begegnet bin. Ich würde alles tun, um sein Leben zu retten.« Sie presste
die Wunde an ihrem Handgelenk an Darius' Lippen. »Niemand hätte all die Dinge
fertig gebracht, die er für uns getan hat. Kein anderer Sechsjähriger hätte
uns retten können. Es war ein Wunder, Syndil. Er hatte niemanden, den er um Rat
fragen konnte, schaffte es aber trotzdem, uns alle am Leben zu halten. Und er
hat dafür gesorgt, dass wir ein gutes Leben führen können. Darius verdient so
viel mehr, als er im Augenblick hat.«
»Du musst mehr von meinem Blut
trinken, Desari«, drängte Syndil. »Du bist so blass. Darius wäre sehr wütend,
wenn er erfahren würde, dass du nicht auf dich Acht gegeben hast. Ich bestehe
darauf, Desari. Du musst trinken.« Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen,
öffnete Syndil wieder die Ader an ihrem Handgelenk und presste die Wunde an
Desaris Lippen. »Gehorche mir, kleine Schwester«, befahl sie mit fester
Stimme.
Das sah Syndil so gar nicht
ähnlich. Verblüfft gehorchte Desari dem Befehl. Syndil war eigentlich sanft,
hebevoll und nachgiebig. Nur selten reagierte sie unvorhersehbar. Desari
dagegen wurde oft von Darius zurechtgewiesen. Nicht dass es ihm etwas genützt
hätte. Sie fand immer wieder etwas Neues, das sie unbedingt ausprobieren
musste. Desari staunte über die Schönheit der Welt, die sie umgab, und fand
Sterbliche unendlich faszinierend. Anders als Syndil, gab sie sich nicht damit
zufrieden, den Männern zu gehorchen.
Desari lehnte sich nicht
absichtlich gegen ihren Bruder auf - das hätte sie nie gewagt. Doch irgendwie
gelang es ihr immer wieder, durch Kleinigkeiten in Schwierigkeiten zu geraten.
Zum Beispiel wollte Darius nicht, dass sie ohne Begleitung draußen
umherstreifte. Aber Desari brauchte ihren Freiraum. Sie liebte es, durch die
Wälder zu laufen, mit den Vögeln zu fliegen und mit den Fischen zu schwimmen.
Das Leben floss nur so über von Gelegenheiten, Abenteuer zu erleben, und Desari
wollte sie alle nutzen. Darius dagegen glaubte, dass überall Vampire lauerten,
die es darauf abgesehen hatten, die Frauen zu verschleppen. Daher bewachte er
sie streng.
Desari schloss die Wunde an
Syndils Handgelenk und achtete darauf, keine Spur zu hinterlassen. Dann entzog
sie Darius sanft ihren Arm und schloss auch den Schnitt in ihrer Haut mit ihrem
heilenden Speichel. »Findest du, dass er schon ein wenig kräftiger aussieht,
Syndil?« Darius hatte sich in den tiefen Schlaf der Karpatianer versetzt und
Herz und Lungen angehalten.
»Sein Gesicht ist nicht mehr so
grau«, stimmte Syndil zu. »Aber wir müssen ihn in der Erde ruhen lassen, damit
seine Wunden ausheilen können. Wohin hat er Barack und Dayan geschickt?«
»Das weiß ich nicht«, gab Desari
zu, »ich war bewusst- los.«
»Jedenfalls musst du dich auch
ausruhen. Ich werde mich um die Polizei kümmern. Ich sage ihnen, dass Darius
dich und die anderen Bandmitglieder an einen sicheren Ort gebracht hat. Ihr
wärt zwar verletzt worden, aber
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