Dunkle Sehnsucht
schwierig werden ...«
Bones zog die Augenbrauen hoch, als ich verstummte.
Don nickte mir kurz zu.
»Dave.«
Ich schloss die Augen, weil ich es entsetzlich fand, meinen Freund einer solchen Gefahr auszusetzen, aber Don hatte recht. Dave war klug, stark, erfahren und bereits tot. Bones hatte ihn vor über zwei Jahren zum Ghul gemacht, als er bei einem Einsatz ums Leben gekommen war, aber unter den Untoten war Dave bisher noch recht unbekannt. Als Teammitglied von Don hatte er so viel um die Ohren gehabt, dass er bisher kaum dazu gekommen war, sich auf Blutsauger-und Körperfresserparties zu amüsieren.
»Wir fragen ihn«, sagte ich schließlich. »Dann kann er selbst entscheiden, ob er es machen will oder nicht. Underco-ver-Einsätze sind immer gefährlich, aber eine Bande mordlustiger untoter Fanatiker zu unterwandern, können wir ihm kaum per Befehl auferlegen.«
»Hol ihn«, sagte Don. »Er ist im Trainingsraum.«
Ich erwiderte den eigensinnigen Blick meines Onkels ebenso eigensinnig. »Ich hole ihn, und wir kümmern uns um das Ghul-Problem, aber ich gebe dich nicht auf. Denk über mein Angebot nach. Über all die positiven Verände-rungen, die du in der Welt bewirken kannst, wenn du am Leben bleibst.«
Er schenkte mir ein mattes Lächeln. »Der Tod stand mir von jeher bevor, Cat. Ob er nun in ein paar Monaten oder ein paar Jahren eintritt, er lässt sich nicht vermeiden. Du hättest das längst akzeptieren müssen, aber das hast du nicht. Schon an dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind, dachtest du wie eine Vampirin. Deine Reißzähne sind neu, aber sonst hast du dich seit deiner Verwandlung nicht ver-
ändert.«
Ich biss mir auf die Unterlippe und wollte nicht wahrhaben, dass er womöglich recht hatte. »Ich gehe Dave holen.«
Mit Bones im Schlepptau verließ ich Dons Zimmer, be-müht, seinen traurigen, sturen Blick aus dem Kopf zu kriegen. Klick-klick-klick machten meine Sohlen auf den Flie-sen. Lungenkrebs . Klick-klick-klick näherte ich mich dem Aufzug. OP , Chemotherapie und Vampirblut können nichts mehr ausrichten. Klick-klick-klick. Diagnose vor sieben Jahren.
Als ich im Aufzug angekommen war, konnte ich mich allerdings nicht mehr beherrschen, sodass rosafarbene Tränen mir die Sicht vernebelten. Don war abgesehen von meiner Mutter mein einziger richtiger Verwandter. Meine Groß-
eltern waren vor einigen Jahren ermordet worden, und mein Vater hatte mehrmals versucht, mich umzubringen, und erfuhr gerade auf Staatskosten, was »Buße tun« wirklich hieß.
Obwohl unsere Beziehung alles andere als normal war, hatte Don sich in den vergangenen Jahren zu einer Art Vaterersatz für mich entwickelt.
Und bald würde er fort sein. Für immer.
Bones schloss mich in die Arme. Er war so groß, dass mein Gesicht an sein Schlüsselbein gepresst wurde und ich seinen Ledermantel kühl an der Wange spüren konnte, während er mir übers Haar strich. Ich hielt mich an ihm fest, ließ mich in seine schützende Umarmung sinken und spürte seine Stär-ke nicht nur durch seinen muskulösen Körper, sondern auch durch die Energie, die mich wie eine dichte Wolke umhüllte.
Irgendwann schob ich ihn weg und verscheuchte den pinkfarbenen Schleier vor meinen Augen, indem ich ein paar Mal blinzelte. Wenn ich mich jetzt zu sehr in alles hinein-steigerte, würde ich die schweren Aufgaben, die vor uns lagen, nicht mehr meistern können. Ich gab Don nicht auf, aber ich musste mich zusammenreißen und mich auf das konzentrieren, was getan werden musste. Ich durfte mich jetzt nicht gehen lassen.
»Alles okay mit mir«, versicherte ich Bones und unterbrach ihn mit erhobener Hand, als er etwas erwidern wollte.
»Gehen wir Dave holen. Immer schön eine Krise nach der anderen, okay?«
Die Aufzugtüren öffneten sich und gaben den Blick frei auf einen gutaussehenden Vampir mit dunklem Teint. Sein schwarzes Haar war zu einem losen Pferdeschwanz gebunden, und seine sonst so heiteren Züge wirkten düster.
»Hey, Juan«, grüßte ich ihn und rang mir ein schwaches Lächeln ab.
» Querida «, murmelte er und breitete die Arme aus. Obwohl ich sauer auf ihn war, lief ich hinein und drückte ihn kurz.
» Lo Siento «, flüsterte er, als ich mich von ihm löste.
»Ja, mir tut's auch leid«, antwortete ich düster. »Tate, Dave, du ... Ihr alle hättet es mir sagen müssen.«
»Wir mussten Don versprechen, es für uns zu behalten.
Er wollte dich nicht beunruhigen.«
Ich war zu durcheinander, um über die Ironie
Weitere Kostenlose Bücher