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Dunkle Sehnsucht

Dunkle Sehnsucht

Titel: Dunkle Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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Wert auf ein korrektes Erscheinungsbild legte, noch nicht angezogen war.

    »Don?«, rief ich, plötzlich zögerlich, als mich nur noch ein kurzes Stück von ihm trennte.
    »Einen Augenblick, Cat«, kam seine Antwort. Er klang heiser, aber nicht, als müsste er jeden Augenblick sterben.
    Erleichterung überkam mich. Vielleicht hatte Don sich die Schweinegrippe oder etwas ähnlich Ekelhaftes eingefangen und war gerade dabei, sich wieder zu erholen.
    Eine mir unbekannte Pflegerin kam aus seinem Zimmer und warf mir einen Blick zu, den man auch ohne telepathi-sche Fähigkeiten interpretieren konnte.
    »Er zieht sich an«, informierte sie mich steif und verström-te dabei den ammoniakartigen Geruch von Verärgerung.
    »Das soll er nicht, nehme ich an?«, fragte ich sie.
    »Nein, aber er lässt sich nicht davon abhalten«, antwortete sie unverblümt.
    »Ich kann Sie hören, Anne«, schnauzte mein Onkel.
    Die Frau bedachte mich mit einem demonstrativen Blick und senkte dann die Stimme zu einem Flüstern. »Sorgen Sie dafür, dass er sich nicht überanstrengt.«
    Man hörte einen Hustenanfall, dann murrte mein Onkel:
    »Ich kann Sie noch immer hören.« Ich zog die Augenbrauen hoch. Was auch immer meinem Onkel fehlte, seine Ohren funktionierten noch prächtig.
    Wieder hörte man es rumoren, dann öffnete mein Onkel die Tür. Er trug ein leicht zerknautschtes Shirt und graue Hosen in der Farbe seiner Augen. Kurz stutzte ich, als mir bewusst wurde, dass ich Don zum ersten Mal mit zerzausten Haaren und etwas anderem als Anzug und Schlips bekleidet sah.
    »Cat. Entschuldige, aber du hast mich ein wenig über-rumpelt.«

    Die Ironie in seinem Tonfall war mir vertraut, was ich von seinem Äußeren nicht behaupten konnte. Don schien in den Monaten, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, um zehn Jahre gealtert zu sein. Die Linien um Mund und Augen waren ausgeprägter, sein graues Haar fast weiß, und er hielt sich leicht gebeugt, statt tadellos aufrecht wie sonst.
    Ich schluckte den Kloß hinunter, der mir im Hals saß.
    »Du kennst mich doch«, presste ich hervor. »Ich bin und bleibe eben eine Nervensäge.«
    Don streckte die Hand aus und drückte meine Schulter.
    »Bist du nicht. Ehrlich.«
    Sein Tonfall und die Traurigkeit, die kurz in seinem Gesicht aufflackerte, kosteten mich beinahe die Fassung. Jetzt wusste ich, dass seine Krankheit unheilbar war. Andernfalls hätte Don mir mit augenzwinkernder Boshaftigkeit geantwortet, dass ich tatsächlich eine furchtbare Nervensäge wäre und es auch immer bleiben würde, statt mit zittrigen Fingern meine Schulter zu drücken und mich dabei tapfer anzulächeln.
    Dinge, die ich früher mit einem Achselzucken abgetan hatte, wurden mir plötzlich überdeutlich bewusst. Dons ständiger Husten, als ich ihn die letzten paar Male gesprochen hatte, der ihm zufolge »bloß eine Erkältung« war. Die Termine, die er in letzter Minute abgesagt und dann wieder angesetzt hatte, nur um sie erneut abzusagen ...
    Ich umarmte ihn, spürte wie hager er unter seiner Kleidung war, und atmete tief ein, sodass mir der Geruch von Antiseptika, Schweiß und Krankheit in die Nase stieg. Wieder brannten Tränen in meinen Augen, und ich blinzelte sie weg. Was ihm auch fehlt, Vampirblut wird es richten, sagte ich mir in Gedanken und versuchte, mich zusammenzurei-
    ßen. Don war vermutlich einfach nur stur und weigerte sich, es zu trinken, obwohl gerade er wusste, welch enorme Heil-kraft es besaß.
    Naja, ich würde ihn schon dazu bringen, seinen törichten Entschluss noch einmal zu überdenken.
    »Du wolltest angeblich nicht, dass ich von deiner Krankheit erfahre«, sagte ich, wobei es mir gelang, statt hysteri-scher Besorgnis nur sanften Tadel in meine Stimme zu legen. Ein Punkt für mich.
    »Du hattest in letzter Zeit genug um die Ohren«, antwortete Don.
    Ich löste mich von ihm und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Sein Bett war eines dieser verstellbaren Modelle, dessen Kopf- und Fußteil man hochfahren konnte, aber es fehlten die an Krankenhausbetten üblichen Seitengitter. Auf einem Rollschränkchen in der Nähe thronte ein aufgeklapp-ter Laptop neben einem Ordnerstapel, Dons Handy, diversen Piepsern und einem Festnetztelefon.
    »Typisch, dass du nicht mal deine Arbeit unterbrichst, obwohl du aussiehst wie der bleiche Tod«, bemerkte ich halb witzelnd, halb tadelnd.
    Mein Onkel warf mir einen bösen Blick zu. »Ich sehe vielleicht aus wie der bleiche Tod, aber du bist bleich und tot, schon

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