Dunkle Spiegel
ab.
“Ist nicht schlimm. Man schläft nicht besonders gut auf diesen Stühlen, was?”
“Oh, ja, da haben Sie recht. Keine Polster!” Und wie zur Bestätigung klopfte er auf die Sitzfläche.
“Ja. Wie wahr. Nun, mein Name ist Crocket. Detective Crocket.”
“Ah. Ja, ja. Crocket, aha.” meinte er wild nickend, als würde ihm diese Information alles erklären und alle Fragen von vornherein beantworten.
Ich blickte ihn stirnrunzelnd und erwartungsvoll an.
“Äh, ah, jetzt, ja. Jetzt weiß ich, was Sie wollen. Mein Name. Also, ich heiße Beam. Anthony Beam. Beam wie der Whisky.” fügte er lachend hinzu und kratzte sich wieder am Kopf.
Ich lächelte und machte wieder eine kleine Notiz.
“Nun, Mister Beam, wissen Sie, warum Sie hier sind?”
“Na ja, wäre ja erst mal nett zu wissen, wo ich hier überhaupt bin, was?” Unentwegt kicherte er vor sich hin. Ich spürte deutlich Nervosität und Unsicherheit.
“Sie sind hier auf einem Polizeipräsidium.” sagte ich, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.
Augenblicklich verschwand sein Lächeln, und auch das Kichern verstummte. Ungläubig sah er mich an. Dann ließ er seinen Blick noch einmal durch den kleinen Raum streifen, aber die karge Ausstattung schien ihn nur noch mehr zu beunruhigen.
“Ich hab` aber nix gemacht! Das müssen Sie mir glauben!” verteidigte er sich sofort.
Wieder machte ich eine Notiz.
In vielen Verhören hatte ich eine bestimmte Sache sehr schnell gelernt, was sich auch im täglichen Leben anwenden ließ: wenn sich jemand, ohne überhaupt die Anklage oder Beschuldigung zu kennen, schon von sich aus entschuldigte oder jede Schuld von sich wies, dann hatte er auf jeden Fall etwas verbrochen!
Das musste nicht heißen, dass er dann in diesem ganz speziellen Fall wirklich schuldig war, aber er hatte sich auf jeden Fall etwas anderes zu Schulden kommen lassen!
Auch mein Freund Ramirez hatte das bei seinen kleinen Kindern schon häufig beobachten können. Mein Partner liebte Lakritzschnecken über alles. Eines schönen Tages musste er die Dose aus dem Schrank genommen und ziemlichverdutzt hinein gesehen haben. Sofort hatte sich sein Sohn auf das energischste verteidigt und beteuert, dass er doch nie im Leben von den Lakritzschnecken naschen würde und dass das eher Samantha, seiner Schwester, zuzutrauen wäre.
Aber bei genauer Betrachtung hatte Ramirez festgestellt, dass nicht eine einzige Schnecke fehlte! Er hatte sich nur über sich selbst gewundert, wieviele Schnecken er selbst seit dem letzten Mal so ganz nebenbei gegessen hatte. Das Verhalten seines Sprösslings hatte ihn stutzig gemacht. Einer Intuition folgend hatte er daraufhin die Dose daneben geöffnet - und musste feststellen, dass sich der Bestand an Schokoriegeln mehr als halbiert hatte! Bei seinem fragenden Blick hatte sein Sohn dann nur betreten und schuldbewusst unter sich gesehen und geschwiegen.
Ich würde also auch unserem Gast hier ein wenig auf den Zahn fühlen müssen, um die Dinge zu erfahren, die er alle nicht getan hatte.
“Können Sie sich an die vorletzte Nacht erinnern?” fragte ich in einem sehr ruhigen Tonfall.
Verdutzt sah er mich an.
“Können Sie nicht? Und wie ist es mit letzter Nacht?”
Achselzucken.
“Sie wissen also gar nichts? Weder, wo Sie in den letzten beiden Nächten waren, noch wie Sie hierher gekommen sind? Andere Frage: sind Sie Alkoholiker?”
Er zuckte zusammen.
“Es ist nicht verboten, Alkohol zu trinken!” erwiderte er lautstark.
Ich schüttelte den Kopf. “Nein, soweit ist es noch nicht. Aber beantworten Sie doch einfach nur meine Fragen. Umso schneller sind wir miteinander fertig. Also?”
“Na ja, ich geb` ja zu, ich trink` schon mal hin und wieder einen über den Durst. Besonders gern trink ich Jim Beam, wissen Sie? Ich heiß` ja auch fast so, halt nur nicht Jim, verstehen Sie?” sagte er kichernd.
Ich nickte ungeduldig.
Dann sah er plötzlich unter sich und schien zu grübeln. Dabei bemerkte ich, dass er mit seinen Fingern spielte und ständig die Daumen drehte. Auch das schwache Zittern seiner Hände entging mir nicht.
“Ich hatte Stress mit Betty. Wegen Lissy. So ´ne Scheiße.” murmelte er wütend. Ich hatte die größte Mühe, ihn zu verstehen. Die meisten seiner Worte schienen den Wall aus Barthaaren nicht überwinden zu können.
“Wer ist Betty?”
“Sie ist meine Freundin. Wir wohnen zusammen in ´ner kleinen Wohnung am Stadtrand. Scheiße, ich hab´ gerade meinen Job verloren.
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