Dunkle Spiegel
Dafür hat sie mich dann angeschrien wie bekloppt. Und ich bin weg, klar. Hab` getrunken und bin so durch die Straßen gelaufen.”
“Und wer ist Lissy?”
“Auch ´ne Freundin, sie wissen schon. Die versteht mich. Die versteht mich richtig. Also so, wie das sein soll, verstehen Sie?” Wieder kratzte er sich am Kopf, während er mich Hilfe suchend ansah.
Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich entspannt zurück.
Als keine weitere Reaktion von mir erfolgte, verschwand das Grinsen und sein Oberkörper sackte etwas in sich zusammen.
“Ist Lissy ihre Freundin was das Sexuelle angeht?” Langsam konnte ich mir ein Bild von seinem Umfeld ausmalen, in das diese Vermutung nur zu gut gepasst hätte.
“Ja!” meinte er, und sein Blick hellte sich auf. Offensichtlich war er froh, dass er es nicht genauer hatte erklären müssen. “Mit ihr kann ich halt Dinge machen, die ich mit Betty nicht machen kann. Is` halt so.” fügte er etwas missmutig hinzu.
Es schauderte mich. “Und was geschah dann?”
Beam druckste erst herum, bevor er zögernd sagte: “Betty hat uns erwischt! Lissy und mich. Hat erst Lissy böse zusammengeflucht - dann mich. Ich hab´s dann einfach nicht mehr ausgehalten. Wollte erst zu der Lissy, doch der war das alles auch schon zu viel. Und meine Betty hat mich auch nicht mehr rein gelassen. Hab` dann wieder getrunken und bin durch die Straßen gelaufen.”
“Und irgendwann eingeschlafen? Auf einer Parkbank?”
“Echt? Oh Mann, hey, das passiert mir bestimmt nie wieder, o.k.? Ich merk´s mir auch für die Zukunft, ganz ehrlich.” meinte er in beschwörerischem Tonfall und erhob sich vom Stuhl und wollte sich schon langsam zur Tür wenden.
“Bleiben Sie sitzen!” sagte ich bestimmt, ohne mich zu erheben. Ich sah ihn streng und auffordernd an.
Sein Blick wanderte zwischen mir und der Tür hin und her. Er versuchte wohl noch seine Chancen abzuschätzen, und ob er es nicht doch noch aus der Tür hinaus schaffen würde. Doch dann fiel sein Blick auf das Holster, das ich unter dem ganz bewusst offenen Jackett trug.
Langsam setzte er sich wieder, ohne die Waffe aus den Augen zu lassen.
“Mister Beam, wir haben Sie bestimmt nicht hierher gebracht, weil sie sturzbetrunken auf einer Parkbank eingeschlafen sind! Nein, ganz sicher nicht! Schauen Sie sich doch mal genau an. Fällt Ihnen irgendetwas auf?”
Er sah an sich herab, drehte die Schuhe in alle Richtungen, betrachtete seine Sohlen, straffte seine Jacke und versuchte sich auf den Rücken zu schielen. Und da bemerkte er die blutverschmierte Stelle in Brusthöhe nahe der linken Achsel.
“Oh Gott!” murmelte er nur und tastete sofort unter der Jacke an der Stelle, wo er eine Wunde vermutete. “Nichts! Nichts! Zum Glück.” sagte er erleichtert und lächelte breit. Als er dann aber meinen ernsten Blick sah, wandte er sich noch einmal der Stelle mit dem Blut zu. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis er mich mit offenem Mund und dem blanken Entsetzen in den Augen anstarrte.
“Woher kommt das Blut? Woher? Wissen Sie es? Von mir ist es nicht. Also … nein, ehrlich … woher?” Er suchte den Fußboden ab, als würde er dort die Antwort auf seine Frage finden können.
Ich wartete und beobachtete ihn genau. Er hätte das alles auch ohne Probleme schauspielern können. Sein Blick hingegen sprach Bände! Da war echter Schrecken und Angst zu sehen.
Wieder kratzte er sich am Kopf, diesmal noch heftiger als zuvor.
Da bemerkte ich etwas. Mein Blick wanderte zum Boden neben seinem Stuhl. Ich erhob mich langsam und trat nahe zu ihm.
“Sie verlieren ja Haare. War das schon immer so?”
“Wie? Was? Weiß ich nicht, ist mir nie aufgefallen. - Ich verliere Haare? Aber … das Blut?” stammelte er völlig hilflos. Ich nahm ein Paar Handschuhe aus meiner Tasche, streifte sie über und nahm mit einer Pinzette ein paar Haare auf, die ihm beim Kratzen ausgefallen waren. Sie waren schwarz und steif, spitz zulaufend mit einem Graustich an der Wurzel. Ich tütete sie ein und warf einen fragenden Blick in den großen Spiegel. Ich sah mich, wie ich das Päckchen kurz in die Höhe hielt, dazu die Stirn runzelte und es dann in der Tasche meines Jackett verschwinden ließ.
Dann nahm ich wieder meinen Platz ein.
“Kennen Sie eine Sarah Blicks? Oder eine Adriana Lion?” fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. Ich war überzeugt, dass auch unsere Beobachter inzwischen zu dem Schluss gekommen waren, dass wir hier nicht unseren Mörder sitzen
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