Dunkle Spiegel
Entschlossen nickte er zur Selbstbestätigung. “Ich werde mir den Computer vornehmen.”
Ich nickte ihm anerkennend zu. Ich war ehrlich beeindruckt. Er versuchte, sich nach seinen Möglichkeiten für uns nützlich zu machen, was ich sehr gut fand.
“Einverstanden. Aber wenn Sie in zwanzig Minuten noch nichts Greifbares gefunden haben, lassen wir den Computer stehen und suchen andere Anhaltspunkte.” Ich drehte mich um und ging zurück ins Schlafzimmer. Ramirez folgte mir wie ein großer Schatten.
“Du setzt ihn unter Zeitdruck. Meinst du, das ist gut für ihn?” raunte er mir zu.
“Ich will ihn nur ein bisschen fordern. Es kann nicht schaden, ihn ein bisschen anzutreiben.”
“Ach was,” entgegnete er, “du willst nur Chief Whealer spielen.”
Ich grinste. Ricardo kannte alle meine Geschichten um und mit Chief Whealer sehr genau, deshalb konnte ich seinen Verdacht auch nicht ganz entkräften. Vielleicht hatte er sogar Recht.
“Also,” wandte ich mich an David Baker, unseren Gerichtsmediziner, “was haben wir?”
“Die Frau wurde gefesselt. Die Augen verbunden. Und sie hatte vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr.” sagte er in seinem ruhigen Tonfall ohne jede Andeutung von Emotion. Nur in seinen Augen blitzte es verdächtig. “Die Spuren sind allerdings etwas zweideutig.” fügte er schließlich noch hinzu.
“Zweideutig? Wie meinen Sie das?” schaltete sich Ramirez dazwischen.
“Wir vermuteten zunächst eine Vergewaltigung. Aber es sieht nicht nach einer hundertprozentigen Ablehnung aus! Es scheint, als hätte sie sich anfangs gewehrt, es dann aber doch mitgemacht - um sich danach wieder gegen den Täter zu stemmen.”
“Das ist ja interessant. Woraus schließen Sie das?”
“Nun, ich habe zum Beispiel am rechten Handgelenk einen etwas größeren und kräftigeren Bluterguss entdeckt, der sich nahe den Reibespuren und Abschürfungen befindet, die durch die Tücher verursacht wurden. An dieser Stelle wurde sie wohl sehr kräftig festgehalten. Erstaunlich ist, dass sie Geschlechtsverkehr hatte - und zwar ohne Gegenwehr! Zunächst jedenfalls. Es sind keine direkten Spuren oder Verletzungen einer typischen Vergewaltigung festzustellen. Genaueres muss aber noch die Autopsie ergeben.” An dieser Stelle machte er eine kleine Pause. “Vielleicht hat sie es auch einfach ohne Gegenwehr geschehen lassen in der Hoffnung, dass es schnell passiert und er dann von ihr ablässt.” Er ging zu der Leiche, schob das Tuch leicht zur Seite und wies auf die Innenseite der Schenkel.
“Diese Spuren aber deuten eindeutig darauf hin, dass sie versucht haben muss, ihn mit den Oberschenkeln zu verletzen, vielleicht auch mit den Knien. Sehen Sie diese Hautabschürfungen? Und diese feinen Schnitte? Die könnten durch ein Messer kommen, das der Täter verwendet haben muss. Einem kleinen, sehr scharfen Messer, wie ich vermute.”
“Aber zu Tode kam sie doch nicht durch ein Messer, oder?”
Stumm schüttelte Baker den Kopf und deutete mit dem Kopf in Richtung Kopfteil. “Er hat ihr ein Tuch um den Hals gebunden und das mit einem speziellen Knoten hinter ihrem Kopf an der länglichen Metallstange festgebunden. Was dann geschah, kann man nur mutmaßen. Vielleicht hat er ihr das Tuch umgelegt, als sie sich vor Erschöpfung oder Angst nicht wehrenkonnte. Dann könnte ich mir vorstellen, dass er sie verließ. Vielleicht ist er aber auch noch da geblieben und hat sie beobachtet.”
“Wobei beobachtet?” fragte ich leise, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte.
“Sie musste versucht haben, sich von den Tüchern loszureißen. Nachdem der Körper wieder etwas Kraft gesammelt hatte, hatte sie wohl nur noch einen instinktiven Gedanken: alle Kraft darauf zu konzentrieren, sich zu befreien. Sie musste dabei an den Fesselungen gezerrt und gerissen haben. Dabei entstanden wohl die stärksten Abschürfungen an den Handgelenken. Am Hals aber war sie mittels dieses speziellen Knotens im Tuch am Bett gefesselt. Je mehr sie mit dem Kopf zerrte, umso mehr … zog sich die Schlinge zu. Sie löste sich nicht mehr, wurde immer fester. Sie musste Panik bekommen haben - und zerrte wohl immer heftiger. Bis sie erstickte.” Er betrachtete traurig die Frau. “Was für ein qualvoller Tod! Furchtbar!”
Wortlos stimmten wir ihm zu. Und da spürte ich sie wieder, diese unbändige Wut in mir, die mich nun schon seit Wochen begleitete und immer stärker wurde. Ich hatte am liebsten auf irgendetwas eingeschlagen, weil ich mich in
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