Dunkle Spiegel
Whealer etwas unwirsch auf unser Schweigen.
Ich schüttelte nur den Kopf als Antwort auf seine Frage.
“Wir sehen gleich mal nach ihm - er ist einfach wahnsinnig … fleißig, wissen Sie?” versuchte Ramirez einen schwachen Versuch einer Erklärung, der von Chief Whealer aber nur mit einem schiefen Blick honoriert wurde.
Das Archiv lag im untersten Stockwerk des Departments. Dutzende Regale mit Aktenordner und Kisten bildeten schier endlose Gänge in der doch recht großen Halle. Das spärliche Licht gab das seinige zur halbdunklen, fast etwas erdrückenden Atmosphäre. Hinzu kam, dass die Luft viel zu muffig war, um sich sehr lange hier aufhalten zu können. Als sich die Tür hinter uns mit einem leisen Seufzen geschlossen hatte, konzentrierten wir uns auf die Stille.
Manchmal hatte man das Glück, sogar eine Maus quieken zu hören.
Doch heute nicht. Kein Quieken. Aber ein Rascheln. Und dann ein Klicken.
Wieder Rascheln. Ein Quietschen von alten, rostigen Sitzfedern.
Wir gingen die Gänge entlang ins Zentrum. Dort war eine größere Fläche frei gelassen worden. Ein großer Eichenschreibtisch mit Ornamenten und dicken Beinen stand dort. Ein Dutzend Schubladen links und rechts zum Sitzenden bildeten unendliche Sortier- und Versteckmöglichkeiten. Normalerweise lag dieser Tisch, wie alles andere auch, in einem unheimlichen Halbdunkeln.
Doch heute nicht.
Eine Standlampe erleuchtete ihn mit einem gleißenden, für die hier unten herrschenden Verhältnisse sogar schon unnatürlich hellen Licht. Auf ihm waren zwei Monitore aufgebaut, an denen jede Menge gelbe, vollgekritzelte Post-Its hingen. Kabel schlängelten sich über den ganzen Tisch und darunter hindurch in Richtung Boden, bis sie schließlich in einem dicken, vielfarbigen, wirren Strang in der Dunkelheit verschwanden.
Im Drehstuhl, einst einer der schönen, lederbezogenen Chefsessel mit hohen Lehnen und einer gepolsterten Kopfstütze, saß eine schmale Gestalt, den Blick fest auf die beiden flackernden Monitore geheftet. Chapler hatte uns den Rücken zugewandt und schien uns überhaupt nicht bemerkt zu haben.
Ich räusperte mich laut, um ihn nicht zu erschrecken. Es knarrte fürchterlich, als Chapler sich schließlich langsam zu uns umdrehte.
“Guten Morgen.” Er grinste.
“Seit wann sind Sie denn schon da? War es zuhause nicht gemütlich genug? Oder ist es Ihnen an Ihrem Schreibtisch etwa zu hell?” fragte ich.
Chapler sah mich von unten herausfordernd an. “Wer sagt denn, dass ich zuhause war?”
Ich runzelte die Stirn. Ramirez zuckte nur mit den Schultern. Wir zogen uns zwei klapprige Stühle heran und setzten uns neben ihn. So als wären wir gar nicht anwesend, drehte er sich wieder zu den Monitoren und hämmerte auf eine Tastatur ein. Fenster tauchten auf, nur um einen Atemzug später wieder zu verschwinden. Chapler gab Befehle und Kommandos in Zeilen ein und beobachtete Reihen mit Zahlen und Buchstaben mit wilden Kopfbewegungen von der einen zur anderen Seite, als würde er bei einem Tennisturnier mitfiebern.
Ich hatte die Vermutung, dass er genau wusste, was der Computer als nächstes von ihm haben wollte - und er ihm schon die entsprechenden Codes eingab, noch bevor die entsprechende Stelle zur Eingabe überhaupt aufleuchtete. Bei meinen bescheidenen Computerkenntnissen konnte ich so etwas nur bewundern. Die Minuten verstrichen.
Chapler sagte noch immer nichts und tippte weiter auf der Tastatur. Dann wurde der Bildschirm plötzlich hellblau. Nur ein kleiner Punkt am unteren Bildrand blinkte ruhig vor sich hin. Jetzt lehnte er sich bequem zurück und lächelte zufrieden. Langsam wanderte sein Blick zu Ramirez und blieb direkt auf seiner Kaffeetasse hängen, die er in seiner Hand hielt.
Ich sah, wie Ramirez für Sekunden innerlich mit sich rang, dann nur für einen kurzen Moment sein Gesicht verzog und ihm schließlich die heiße, dampfende Tasse entgegenhielt, die Chapler dankbar entgegen nahm.
“Fangt aber nicht ohne mich an!” sagte er ermahnend als er aufstand und im Halbdunkel in Richtung Tür verschwand. Man hörte die Tür knarzen, ein schwacher Lichtschein leuchtete kurz auf, dann kehrte wieder Stille ein.
Chapler schlürfte langsam an seinem Kaffee.
“Wie lange waren Sie denn jetzt wirklich schon hier unten?” fragte ich fast schon etwas besorgt. Hatte ich ihn etwa durch eine Bemerkung dazu aufgefordert? Bei dem Gedanken schlich sich ein leises, schlechtes Gewissen bei mir ein.
“Wie gesagt, ich war gar nicht
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