Dunkle Spiegel
gechattet, wie Sie es schon selbst in Erfahrung gebracht haben. In erster Linie harmlose Seiten wie Citytreff, Smalltalk, Webchat, Peoples.de und ähnliche.” Dabei klickte er auf ein Symbol an der untersten Leiste auf dem Bildschirm. Ein Bild erschien. Gut gelaunte,lachende Menschen mit dieser übertriebenen Glückseligkeit in ihren Mienen. Die Anfangsseite zu einem Chat.
Mit ein paar Klicks erschien ein Bildausschnitt, auf dem die Nachrichten der einzelnen Chatter zu sehen waren. Rechts war eine Liste mit den Namen der Anwesenden, die gerade online waren und in diesem Chat miteinander kommunizierten. Die Nachrichten in den einzelnen, teilweise farbigen Zeilen erschienen im ersten Augenblick recht zusammenhanglos, so dass man eine Zeit gebraucht hätte, um zu sehen, worüber sich gerade “unterhalten” wurde.
“Das ist also ein solcher Chatroom, in dem Adriana Lion sich in ihrer freien Zeit aufgehalten hat? Sieht irgendwie harmlos aus.” meinte Ramirez.
Ich nickte zustimmend, wobei ich noch immer versuchte, das Thema aus den teils wirren Kommentaren und Bemerkungen der einzelnen Chatter herauszufinden.
“Der ist auch harmlos - fast schon ein bisschen langweilig. Man unterhält sich über Mode, Musik, Filme, Trends, manchmal wird auch geflirtet.” Chapler klickte die Seite wieder weg und der blaue Bildschirm erschien wieder.
“Es gab viele Chaträume, die sie besuchte, ohne sich aber fest zu binden. Das heißt, sie blieb anonym, konnte sie besuchen so oft sie wollte und brauchte nicht mehr von sich preiszugeben, als sie wirklich wollte. Dann aber gab es noch andere Seiten, die für sie wohl noch interessanter waren. Sehr interessant sogar.”
“Jetzt spannen Sie uns doch nicht noch weiter auf die Folter.”
“Erotikchats. Seiten, auf denen man sich über alle möglichen Arten von Sex, Liebe und Lust unterhalten kann.” Er klickte ein anderes Symbol an und ein neuer Bildschirm erschien. Auch hier waren wieder Nachrichten zu sehen und eine Liste von Namen. Doch kaum hatte ich die ersten gelesen, verschluckte ich mich fast an einem Schluck Kaffee.
“Ich glaub, mich laust der Affe! So etwas ist erlaubt?” Fragte Ramirez verblüfft.
“Tja, es gibt wohl kein Gesetz, das es verbietet, sich in einem Chat so zu bezeichnen, oder?” meinte Chapler.
Ich ging die Liste langsam durch. Dann noch einmal. Nicht selten wurde die Bezeichnung von männlichen und weiblichen Genitalien in den Namen verwendet. Auf mich wirkten sie im ersten Augenblick sogar abstoßend, wobei ich mich ehrlich fragte, warum sich ein Mann oder eine Frau zwecks einer Kommunikation in einem dieser Chaträume einen solchen, meist verruchten Namen gab.
“Es sind überwiegend Männernamen, oder?” bemerkte ich.
Chapler nickte. “Es gibt zwar auch spezielle Chaträume für Frauen, aber in den gewöhnlichen hier sind anwesende Frauen Mangelware. Entsprechend geht es auch vor sich. Die Männer stürzen sich auf jeden weiblich klingenden Nickname, die hier erscheint und versuchen krampfhaft, mit ihr in ein Gespräch zu kommen - unter dem aktuellen Thema des Chats hoffen die Männer natürlich auf Frauen, die dafür genauso willig sind wie sie selbst!”
In der Tat spielten die Namen der männlichen Chatter nicht selten auf protzige Manneskraft und Ausdauer an, oder sie schmückten sich mit Adjektiven, die offenbar den Anschein geben sollten, derjenige sei ein wahrer Meister in der Liebeskunst.
“Aber hier erscheinen vergleichsweise weniger Nachrichten als in dem anderen Chat. Überwiegend Grüße und Fragen nach einem FC.” warf Ramirez fragend ein. “Was ist das? Ein FC ?”
“FC steht für einen Flüsterchat. Manchmal auch PR oder PC genannt, das heißt P rivat R oom oder P rivat C hat. Man kann sich auf diese Weise mit einem Chatpartner in einen seperaten Raum zurückziehen, in dem dann nur die Nachrichten dieser beiden Personen erscheinen - von den anderen Anwesenden ungelesen und ungesehen. Und das ist in erster Linie das eigentliche Ziel aller Bemühungen: ein Flüsterchat über die schönste Nebensache der Welt!”
“Und es gibt Menschen, denen das Spaß macht?”
“Oh ja, jede Menge. Und das ist nur einer der vielen Chats, die ich auf Adriana Lions Computer fand. Um genau zu sein: ich fand Fragmente von sieben unterschiedlichen Chatseiten auf ihrem Computer, wobei dieser hier noch der harmloseste ist. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen, Detective Ramirez: Adriana Lion war eindeutig jemand, der an so etwas Spaß
Weitere Kostenlose Bücher