Dunkle Spiegel
gesagt. So war das immer. Ich drehte mich um und ging zur Tür.
“Ach übrigens: die Nacht ist zum Schlafen da!” rief er mir noch nach.
Ich ging aus der Tür ohne mich noch einmal umzusehen.
*** 9 ***
Endlich! Endlich war es wieder soweit.
Die Nacht hatte schon lange über den Tag gesiegt und überall schlummerten die unschuldigen, nichts ahnenden Seelen in ihren Betten, um die Ruhe und Stille der Nacht einkehren zu lassen.
Aber er war hellwach. Aufgeputscht und zum Zerbersten mit Adrenalin geladen. Sein Herz pochte laut und schnell, und er spürte, wie das Blut in immer höherer Geschwindigkeit durch seine Adern schoss. Seine Hände schwitzten.
Langsam setzte er sich in seinem Wagen wieder etwas aufrechter. Die Straßen waren nun dunkel und menschenleer. So bestand kaum noch die Gefahr, bei dem, was er heute Nacht zu erledigen hatte, entdeckt zu werden.
Die gepflegten Reihenhäuser waren alle in hellen Farben gestrichen, was im Sonnenlicht betrachtet sicherlich ein schönes Wechselspiel an Farben abgab. Aber bei Nacht, so wie jetzt, waren sie alle von einem einzigen grauen Schleier überzogen. Ja, dachte er bei sich, sogar die Häuser machten den Eindruck, als wären sie kurz vor dem Einnicken.
Nur in ganz wenigen Fenstern und durch einige zugezogene Gardinen blinzelte noch ein wenig Licht hindurch.
Doch er interessierte sich nicht im Geringsten für all diese schwach beleuchteten Fenster. Sie waren für ihn bedeutungslos! Nein, für ihn war nur ein einziges Haus wichtig. Und das lag im Dunkeln, kaum zehn Meter auf seiner Straßenseite von ihm entfernt. Dort leuchtete kein einziges Licht. Das ganze Haus schien schon tief und fest zu schlafen. Genau, wie er es erwartet hatte!
Sie war ausgegangen. Da gab es eine Party bei Freunden, wo sie versuchen würde, sich ein wenig zu amüsieren. Das hatte sie ihm erzählt.
So wie sie ihm auch alles andere erzählt hatte.
Er spähte über die Straße. Weit und breit war niemand zu sehen.
Also stieg er aus dem Wagen und streckte sich kurz wie jemand, der gerade eine lange Fahrt hinter sich gebracht hatte. Die hohen Hecken des Gartens neben ihm gaben einen wunderbaren Schatten, der sein Auto und ihn fast völlig verdeckte. Er ging um den Wagen herum, betätigte die Zentralverriegelung und schritt in der Deckung der hohen Büsche bleibend langsam an dem Grundstück vorbei. Irgendwo ertönte der Ruf eines Käuzchens.
“Huhu. Huhu”, ahmte er leise ihren Ruf nach. “Huhu. Huhu.”
Dann hatte er das Ende der Hecke erreicht. Vor ihm lag eine kurze Einfahrt, die von einer kleinen Leuchte erhellt wurde. Lässig überquerte er sie, ohne dabei aber die Fenster aus den Augen zu lassen, und verschwand auf der anderen Seite sofort wieder in der Deckung der anschließenden Hecken.
Nach ein paar Minuten hatte er sein Ziel erreicht.
Ein kleines Haus, das etwas nach hinten versetzt zu den anderen Häusern lag. Eine asphaltierte Einfahrt führte zur Garage.
Seine Augen wanderten über die Hauswand, bis sie auf den erwarteten Punkt trafen: an der Stelle, an der durch die Garage ein Schatten entstand, befand sich ein Fenster. Ein halb offenes Fenster. Genüsslich rieb er sich die Hände. EineVorfreude überkam ihn, wie er es nur aus Kindertagen kannte. Dann nahm er seine Handschuhe aus der Seitentasche und streifte sie sorgfältig über seine Hände. Dann ballte er sie zu Fäusten und der Stoff spannte sich straff über seinen Knöcheln.
Er fixierte die gegenüber liegende Seite, wo der Schatten ihn gleich wieder willkommen heißen würde. Er setzte an - und sprang. Die zwei Meter der Einfahrt waren im Bruchteil einer Sekunde überwunden. Das war der einzige Moment gewesen, in dem er vielleicht hätte gesehen werden können. Er hielt inne und sah sich noch einmal um.
Nichts. Keine Menschenseele war zu sehen. Irgendwo weit weg bellte ein Hund.
“Wauwauwauuuu”, ahmte er jetzt auch, wie schon zuvor den Ruf des Käuzchens, leise das Bellen des Hundes nach. “Wauwauwauuuu.”
Blöder Hund .
Er ging langsam vorwärts, dicht an die Hauswand gepresst.
Schließlich stand er am Fenster. Er konnte mühelos hineinsehen.
Es gab keine Fensterbank. Nichts, was hätte verbogen werden können.
Das war gut! Denn das bedeutete: keine Spuren!
Bewunderte man ihn nicht gerade unter anderem deshalb so? Weil er nie Spuren hinterließ? Sie könnten genauso gut auch aufhören, nach ihm zu suchen - sie würden ihn ja doch nie finden!
Ein paar Sekunden später stand er bereits in der
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