Dunkle Spiegel
fragte ich neugierig.
“Sie ist eine Niemand.” Und auf unseren erstaunten Gesichtsausdruck hin erklärte sie weiter: “Es gab sie bis jetzt überhaupt nicht. Der Chief dachte sich schon, dass ihr Männer mit der Erstellung eines aufregenden Profils ein wenig überfordert sein könntet. Und da das Ganze so glaubwürdig wie möglich sein sollte, habe ich kurzerhand ein wenig mit unserem Phantombilderstellergeflirtet.” Und nach einer kurzen Pause fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: “Er hat mir diesen Gefallen wirklich gern getan.”
“Das glaube ich dir auf´s Wort.” stimmte ich lächelnd zu. Ich stellte mir gerade vor, wie dieser blasse, untersetzte Mann mit dem Mittelscheitel im dünnen Haar und der etwas zu großen Brille auf Eloras Bitte und ihrem charmanten Lächeln nur so dahin geschmolzen sein musste.
Ich sah mir das Bild noch einmal an. Jetzt erst konnte ich die ganz feinen Linien erkennen, die bei einer Phantombilderstellung entstehen, wenn man die verschiedenen Bausteine der Augenpartien, der Haare, des Haaransatzes, des Mundes, der Wangen und des Halses aufeinander abstimmte.
“Dann entspricht das also der Vorstellung einer attraktiven Frau unseres Freundes Thomas Baxter?” fragte Ramirez grinsend und fügte anerkennend hinzu: “Donnerwetter.”
“Vielen Dank, Elora. Das hilft uns wirklich weiter.” Ich sah Elora tief in ihre Augen und erkannte einen Funken Sorge darin.
“Da ist noch etwas.” meinte sie langsam. “Der Chief ist der Auffassung, dass es wohl wenig Sinn hat, den Mörder neugierig zu machen und ihn dann hier auf unser Präsidium zu locken. Ihr braucht eine Privatadresse.”
“Stimmt. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Aber ich denke, ich werde ihn zu mir einladen.” erwiderte ich lächelnd.
“Nein, genau das solltet ihr nicht tun. Vielleicht ist er schon auf euch aufmerksam geworden und beobachtet euch. Der Chief glaubt, dass der Kerl ziemlich gerissen ist. Also … würde ich euch meine Wohnung zur Verfügung stellen.”
“Was? Kommt gar nicht in Frage, meine Süße. Wenn schon, dann mieten wir einfach eine leer stehende Wohnung und locken ihn dahin.” entgegnete Ramirez entrüstet.
“Und wenn er Einblicke in die Mietregister hat? Eine erst seit kurzer Zeit angemietete Wohnung ist nicht so verlockend wie ein kleines Appartement im Erdgeschoss einer ruhigen Wohngegend, wo schon seit Jahren eine junge Frau als Mieterin eingetragen ist, oder?” erwiderte Elora.
„Hrmm …“grummelte ich, denn insgeheim wusste ich, dass sie Recht hatte.
“Aber du bringst dich selbst auch in Gefahr. Was, wenn die Sache schief geht? Er kennt dann deine Adresse - und ich könnte nicht mehr ruhig schlafen in Sorge um dich.”
Elora lächelte sanft und machte eine abwehrende Handbewegung.
“Nein,” bekräftigte ich noch einmal, “wenn wir das so machen, dann nur, wenn ich dich dafür ganz weit weg in Urlaub schicken darf, bis diese ganze Sache endgültig vorbei ist! Wir mieten dir ein kleines Hotelzimmer an, am besten ein Wellness-Hotel, damit sich dieses Opfer auch für dich lohnt. Was hältst du davon?”
“Klingt äußerst verlockend. Aber das ist nicht nötig. Oder glaubst du etwa wirklich ernsthaft, dass du das vom Chief genehmigt bekommen würdest?”
Ich nickte nur und zwinkerte ihr lächelnd zu. “Ich weiß schon, auf welche Knöpfe ich bei ihm drücken muss!”
Elora lächelte, beharrte aber darauf, dass wir uns ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen sollten. Nach einer kleinen Diskussion und der genauen Abwägung des Risikos stimmte ich schließlich unter der Bedingung zu, dass sie für einige Tage aufs Land zu einer Freundin verschwinden würde, sobald wir mit der Aktion begannen. Sie murrte zwar ein wenig, aber mir war alles andere einfach viel zu riskant. Und wir mussten bei unserem Wahnsinnigen mit allem rechnen!
“Also gut – aber ihr ruft mich danach gleich an, ganz gleich, ob er euch ins Netz gegangen ist oder nicht. Und passt gut auf euch selbst auf. Ihr wisst nicht, was für perverse Seiten der Kerl noch so an sich hat. O.K.?”
“Aber natürlich. Wir passen auf. Und ich bin ja auch noch da!” meinte Ramirez scherzhaft. Wir lachten ausgelassen und die leichte Anspannung löste sich langsam auf. Dann verschwand Elora wieder in der Dunkelheit. Wir hörten das Quietschen der Tür, ein leiser Lichtschein verirrte sich in den Tiefen des Raums, dann wieder Stille und Dunkelheit.
“Geht´s los?” Ramirez` Blick
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