Dunkle Symphonie der Liebe
die stürmisch danach drängten, freigelassen zu werden.
Dann wurden die Melodien plötzlich deutlich disharmonischer, Misstöne
erklangen, wie das Schlagen von Zimbeln, die einen dissonanten Ton trafen.
»Nach all der Zeit stellst du auf einmal fest, dass du mich begehrst? Und ich
soll glauben, dass es nichts damit zu tun hat, wer ich bin, sondern nur an
meinem guten Aussehen liegt?« Sie brachte den hässlichen Vorwurf nur mühsam
über die Lippen. Alles in ihr schrie danach, sich ruhig zu verhalten und zu
nehmen, was er ihr anbot, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht hätte sie
es getan, wenn es ein anderer als Byron gewesen wäre.
Sie spürte die Bewegung, als er
vom Bett aufstand, konnte aber keinen Laut hören. Das Schweigen zog sich in die
Länge, bis sie am liebsten den Tränen, die unter ihren Lidern brannten, freien
Lauf gelassen hätte. Stattdessen hob sie ihr Kinn und wartete. Verdammte ihn,
weil er zuließ, dass sie sich zum Narren machte.
»Ich bin nie auf den Gedanken
gekommen, du könntest ein Feigling sein.« Sein Tonfall war nachdenklich, nicht
anklagend. »Du hast so viel Selbstvertrauen. Ich habe erlebt, wie du vor
zehntausend Menschen aufgetreten bist. Du gehst sogar allein, ohne jede
Begleitung, auf die Bühne.«
Antonietta konnte die
Bewunderung in seiner Stimme hören. Er schien vor dem Buntglasfenster zu
stehen, mit dem Rücken zu ihr, sodass seine Stimme für sie leicht gedämpft
klang. Sie hatte das weiße Spitzenhemd bewusst angezogen, in der Hoffnung, ihm
zu gefallen, und sie ärgerte sich angesichts seiner Reaktion mehr über sich
selbst als über ihn. War sie tatsächlich ein Feigling? Sie selbst hatte sich
nie für feige gehalten.
»Das erste Mal, als ich dich sah,
war bei einem Konzert. Ich konnte ab dem ersten Moment den Blick nicht mehr von
dir wenden. Du warst so schön in dem Lichtschein, dessen Strahlen auf dein
schimmerndes Haar fielen. Du bist sehr selbstbewusst und ohne zu zögern direkt
zum Flügel gegangen, und du hast mir den Atem geraubt, noch bevor du eine
einzige Note gespielt hattest.«
Seine Stimme entfernte sich vom
Fenster in Richtung Tür. Antoniettas Herz pochte laut vor Angst, er könnte
gehen und niemals wiederkommen. Sie wusste fast nichts über ihn. Byron, der
Mann voller Geheimnisse. Der Mann, der ihre Träume erfüllte. »Mein Haar wird
allmählich grau, und ich bin wohl kaum eine Schönheit, Byron, aber danke für
das Kompliment.« Ihre Hand flatterte an ihren Hals, um die hektisch schlagende
Pulsader zu verdecken. Er hatte gesagt, dass es ihm bei ihrem Anblick den
Atem verschlagen hätte. Sie dagegen machten seine Worte atemlos.
Er lachte. Antonietta
registrierte es schon beinahe schockiert. Diese Reaktion hätte sie am
wenigsten erwartet, sie schien das genaue Gegenteil zu ihren eigenen tiefen Emotionen.
»Wie kommst du auf die Idee, dein Haar würde grau werden? Es glänzt wie der
Flügel eines Raben. Falls wirklich ein Hauch Silber vorhanden ist, untermalt er
nur die Schönheit der Farbe. Niemand sonst hat so schönes Haar wie du. Das
müsstest du wissen.«
Antonietta zuckte innerlich
zusammen, so sehr traf sie die Aufrichtigkeit, die in seinen Worten lag. Sie
tastete auf dem Nachttisch nach ihrer dunklen Brille, da sie sich ohne den
Augenschutz nackter fühlte als in der Spitze, die ihren Körper kaum verhüllte.
Byron half ihr nicht, wie er es
normalerweise getan hätte. Er war sonst stets der vollendete Gentleman, hielt
ihr Türen auf und legte ohne ein Wort Dinge, die sie benötigte, in die Nähe
ihrer Fingerspitzen.
»Wie geht es meinem Großvater?«
Das hätte sie ihn gleich Fragen sollen, statt wie ein Schulmädchen auf seine
Nähe zu reagieren. Sie musste irgendwie aus dem Rampenlicht rücken und von
ihrer allzu auffälligen Reaktion ablenken.
»Don Giovanni geht es gut. Ich
habe das Gift aus seinem Körper gezogen, und er schläft jetzt ruhig und
friedlich. Außerdem habe ich die anderen Mitglieder des Haushalts untersucht.«
Hinter ihrer dunklen Brille
schloss Antonietta die Augen. Sie fühlte sich unbehaglicher denn je. Sie konnte
eine Bühne betreten und einen ganzen Konzertsaal beherrschen, aber hier in
ihrem eigenen Heim, mit diesem einen Mann, kam sie sich ausgesprochen albern
vor. Er übte eine ganz eigenartige
Wirkung auf sie aus, und sie
wollte lieber nicht daran denken, dass er mit ihrer Cousine Tasha allein in
einem Schlafzimmer gewesen war.
Antonietta bemühte sich,
möglichst kühl und sachlich zu klingen. »Ist
Weitere Kostenlose Bücher