Dunkle Symphonie der Liebe
keine
andere Möglichkeit, ihr klarzumachen, dass die Menschen, mit denen sie lebte
und die sie liebte, durchaus Gründe hatten, sie zu verraten. Selbst er hatte
verborgene Motive, die ihr kaum gefallen würden, von denen er aber wusste, dass
sie eindeutig vorhanden waren.
Antonietta spürte einen leisen,
ziehenden Schmerz in ihrer Herzgegend, hielt aber den Kopf hoch erhoben. Sie
konnte die Eindringlichkeit seines Blicks fühlen und wusste, dass er jede noch
so kleine Veränderung ihres Gesichtsausdrucks registrierte. Sie wollte sich
nicht anmerken lassen, dass er einen Treffer gelandet hatte. Sie hatte einen
ausgeprägten Geruchssinn. Mehr als einmal hatte sie das Gefühl gehabt, dass
Paul sich in einem Raum mit ihr aufhielt, nur um festzustellen, dass er nicht
einmal in der Nähe war. Jetzt war ihr klar, dass sein Geruch an Justine
gehaftet hatte. »Meine Assistentin hat das Recht, Beziehungen zu haben, mit wem
sie will. Und das schließt Paul ein.«
»Auch wenn dadurch ihre
Loyalität auf die Probe gestellt wird?«
»Ich vertraue Justine. Sie ist
schon seit Jahren bei mir. Ich könnte jetzt darauf hinweisen, dass ich dich im
Gegensatz dazu erst seit kurzem kenne.«
Wieder lachte er leise,
wiederum überraschte sie seine Reaktion. Er schien nicht beleidigt zu sein,
sondern sich vielmehr zu amüsieren. »Ich glaube, du hast ein angeborenes
Gespür für Menschen, die deine Verbündeten sind - einer der Gründe, warum dein
Großvater dich bei jedem größeren Vertragsabschluss dabeihaben will.«
»Wenn du das glaubst, Byron,
ist es völlig unnötig, mir etwas über meine Familie und die Leute, die ich zu
meiner
Familie zähle, zu erzählen.«
Obwohl sie beabsichtigt hatte, einen sachlichen Ton beizubehalten, klangen ihre
Worte sogar in ihren eigenen Ohren ein wenig hochmütig.
»Oh, deine Familie ist etwas
ganz anderes. In diesem Fall weigerst du dich, auf dein inneres Warnsystem zu
hören.«
»Ich habe ein Warnsystem?«
»Absolut. Ich habe den
Verdacht, dass du noch andere Gaben hast, von denen du profitierst.« Seine Hand
lag immer noch auf ihrer Schulter und hielt sie fest, um zu verhindern, dass
sie aufstand. Er musste sie auf Nachwirkungen der Drogen untersuchen und
feststellen, ob sie dasselbe Gift im Körper hatte wie ihr Großvater.
Dass sie sich nicht dagegen
sträubte, von ihm im Bett festgehalten zu werden, war ein Beweis für Byrons
Fälligkeit, alles und jeden zu verzaubern. Sie ließ sich nie von anderen Vorschriften
machen lassen, jetzt hingegen brachte sie kein Wort des Protests heraus. Wie
schaffte er das? »Wer bist du, Byron?«
Einen Moment lang herrschte
Schweigen. Das Zimmer schien vom Duft nach Blumen erfüllt zu sein. Sie sog den
Geruch tief in ihre Lungen ein. Mehrere Kerzen brannten, das merkte sie an dem
schwachen Geruch des Dochts.
»Gerade jetzt, cara, bin ich dein Heiler.«
Antonietta legte sich auf seine
Bitte hin flach hin. Unwillkürlich bedeckte sie mit einer Hand ihre Augen.
»Warum tust du das?« Byron nahm
ihre Hand behutsam weg und streichelte ihre Lider und Augenwinkel.
Für einen Moment setzte ihr
Herzschlag aus, weil sie überzeugt war, dass er die Linien ihrer Narben
nachzog. Sie wagte kaum zu atmen. Die Erde blieb stehen, genau wie eben, als er
sie geküsst hatte. Sie hob eine Hand und legte sie um sein Handgelenk. »Ich mag
es nicht, wenn man meine Narben anstarrt.«
»Narben? Du meinst diese
hauchdünnen Linien, die man bestenfalls mit einer Lupe erkennen kann?« Byron
rückte näher an sie heran und beugte sich so tief zu ihr vor, dass sein Atem
warm über ihr Gesicht strich. Sie wusste, dass er ihre Augen betrachtete, aber
alles, woran sie denken konnte, war, wie nah sein Mund an ihrer Haut war. »Ich
habe viel schlimmere Narben als diese. Stören dich körperliche Makel?«
Schweigen. Seine Lippen glitten
samtweich über ihre Augen und strichen unendlich zärtlich über ihre
Augenwinkel. Einen Moment lang fand sie ihre Stimme nicht wieder, und sie
musste sich zwingen, Luft zu holen. »Nein, natürlich nicht. Wie könnten gerade
mich körperliche Makel stören? Ich kann nicht sehen, Byron.« Sie hasste die
Vorstellung, dass er glauben könnte, sie wäre so oberflächlich, sich bei
anderen an Narben zu stoßen. »Ich weiß, dass der Unfall mein Gesicht übel zugerichtet
hat.« Sie zuckte die Achseln und versuchte, unbeteiligt zu erscheinen. »Es ist
vor langer Zeit passiert, und ich habe gelernt, damit zu leben.«
Byron verlagerte sein Gewicht.
Allmählich
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