Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Boden die Gegend erforschte, während ihr Schwanz munter in die Luft ragte.
Das Gras der Wiese war höher als sie, deshalb brachte ich ihr bei, hinter mir herzurennen, in der Spur, die ich hinterließ. Auf diese Weise, erklärte ich ihr, beschädigten wir die Blumen und die Grashalme am wenigsten. Dann gingen wir in den Buchenwald, wo zwischen den Bäumen schmale Säulen aus Sonnenlicht leuchteten, in denen goldener Staub flimmerte, und weit über uns trällerten und zwitscherten die Vögel wie verrückt. Meine Begleiterin blieb vor dem Zaun an der Straße stehen, weil sie Angst hatte, wir könnten irgendwohin gehen, wo ein Auto auf sie wartete. Aber ich überredete sie weiterzugehen, Zentimeter für Zentimeter. Sie war fürchterlich verängstigt, aber trotzdem blickte sie voller Vertrauen zu mir hoch. Manchmal kamen mir vor Rührung fast die Tränen. Wie konnten die Menschen einem Wesen, das so klein und wehrlos war und sie mit solchen Augen anschaute, nur jemals Schmerz zufügen?
Min war total begeistert von ihrem ersten Pokerabend.
»Dann habe ich die Karte umgedreht«, sagte sie am Schluss einer langen, komplizierten Geschichte. »Und du wirst es nicht glauben, aber es war tatsächlich eine Pik Sieben. Die anderen mussten alle bezahlen. Auf der Stelle und bar.«
»Neulich habe ich gelesen, dass es für Bäume schwer ist, noch Wurzeln zu schlagen, wenn sie älter sind. Das können nur die jungen Bäume. Ich finde, du machst das fantastisch mit den Wurzeln. Allerdings bist du ja auch kein Baum.«
»Warum fährst du nicht weg und machst irgendwo Urlaub, statt kluge Bemerkungen von dir zu geben? Du unternimmst gar nichts.«
Aber ich hatte nur darauf gewartet, endlich meine Überraschung loszuwerden. »Ich kann gar nicht weg«, sagte ich. »Am Freitag bekomme ich nämlich vier Ziegen.«
»Du bekommst was ?« Min traute ihren Ohren nicht.
»Und ein Schwein, das der Tierarzt letztes Mal nicht durchgehen ließ. Untergewicht. Ein depressives Schwein. Es ist diese Wohltätigkeitsorganisation, für die Andy Sutton arbeitet – sie schenken armen Familien in der Dritten Welt irische Nutztiere. Damit kann eine Familie Geld verdienen und ihre Kinder in die Schule schicken. Die Tiere warten hier darauf, dass sie transportiert werden.«
»Schicken sie die Tiere immer paarweise?«
»Die Kaninchen ja, aber ich bekomme keine Kaninchen – die brauchen keinen Pferch. Und das ist dein Grundstück jetzt: ein offizieller Pferch. Andy sagt, Stoneytown ist ideal dafür. Es ist nur fünfundvierzig Minuten von Rosslare Harbour entfernt, und es gibt hier keine anderen Tiere, bei denen sie sich anstecken könnten. Und wir haben jede Menge Gras. Andy hat das alles arrangiert.«
»Na, so was! Ausgerechnet Andy! Bekommst du Geld dafür?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte ich ärgerlich. »Es ist doch für eine Wohltätigkeitsorganisation, Min. Aber es macht mir Freude. Ich liebe Tiere – ich glaube, der Schöpfer hatte viel Spaß, als er sie erschaffen hat. Falls es so etwas wie einen Schöpfer gibt.«
»Der Schöpfer hat auch die Menschen erschaffen. Und du bist nicht der heilige Franziskus. Du musst dich nicht die ganze Zeit mit Tieren abgeben. Außerdem ist es da draußen gefährlich für eine Frau in deinem Alter.«
»Das ist ja genau der Punkt!«, rief ich triumphierend. »Deshalb tut Andy das. Vorübergehend bin ich dadurch angebunden, klar, aber wen interessiert das? Es gibt jetzt eine Leitung vom Trainingscamp zum Haus und dann noch den Weg hinauf, bis zum Wald. Im Haus sind drei Schalter. Und ich bekomme gepumptes Wasser. Und einen Toaster habe ich auch.«
»Guter Gott!«, sagte Min, hörbar beeindruckt. »Einen Toaster in dem alten Haus. Wo ist er? Du kannst ihn doch nirgends hinstellen.«
»Wo würdest du ihn hinstellen?« Ich wusste genau, wenn sie erst zurück war, würde sie an allem herummäkeln. »Da steht so ein Regal neben …«
Sie unterbrach mich. »Wo ist denn Tessa zurzeit?«, fragte sie mit strenger Stimme.
»Tessa ist in Dublin und macht Therapie. Sie kommt demnächst mal hierher.«
»Und Andy?«
»Im Augenblick ist Andy dabei, die Pumpe zu installieren. Aber er ist unterwegs nach Dublin.«
Min war nicht die Einzige in der Familie, die den anderen nicht unbedingt sagte, was sie wissen wollten.
Ich würde auch gern eine Runde Poker spielen, dachte ich nach dem Gespräch mit Min. Der Weg von der Telefonzelle nach Hause erschien mir sehr lang, weil ich die dunkelnden Wälder mied und den Umweg
Weitere Kostenlose Bücher