Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
noch nachgetreten.«
»Oh!«
»Einmal habe ich beobachtet, wie ein paar Frauen im Winter den Sack von einer anderen in einer Pfütze nass gemacht haben. Über Nacht ist er gefroren, und als die Frau am nächsten Morgen in den Steinbruch gekommen ist, haben sie ihr den Sack auf den Kopf geknallt, bis sie geblutet hat.« Sie schwieg kurz und schien zu überlegen.
»Sie haben einfach gern gestritten«, fügte sie als Erklärung hinzu, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. »Manchmal haben sie sich geprügelt wie die Kesselflicker, auch wenn es keine Probleme mit den Säcken gab, und die Männer haben sie noch angefeuert.«
Ich seufzte. »Ach, Min!«
Der Hund drückte sich seitlich an die Telefonzelle. Er wollte, dass ich endlich wieder herauskam.
»Ja, ja, ich weiß«, sagte sie. »Das war wirklich die schlechte alte Zeit. Aber wenn man aus einem bestimmten Ort stammt … Wenn jeder deine Familie kennt. Zum Beispiel die Frauen dort, die waren alle ziemlich grob, aber sie haben meine Mutter und ihre Mutter gekannt. Die meisten von ihnen hatten wirklich ein hervorragendes Gedächtnis. Sie konnten dir jedes Wort aus einem Film wiederholen, selbst wenn sie ihn nur zweimal gesehen hatten. Wir wollten die Filme immer zweimal sehen und blieben einfach sitzen. Der Mann im Kino tobte, und einmal hat
er sogar die Polizei geholt, aber die Polizisten sagten, sie können uns nicht rauswerfen. Es war gesetzlich nicht verboten, den ganzen Tag dort zu bleiben.«
Sie lachte beim Gedanken daran und wünschte mir eine gute Nacht.
»Komm, Kleine!«, rief ich meinen Hund. »Bitte, bleib in meiner Nähe.«
Wir kletterten durch den Zaun und trabten dann so schnell wie möglich durch den Wald.
Hatte sich meine Großmutter auch mit anderen Frauen geprügelt, hatte sie gekeucht und gefaucht, war ihr Gesicht mit Matsch und Blut verschmiert gewesen?
Und meine Mutter?
Der dritte und letzte Samstag. Ich war ganz zappelig vor Ungeduld, während ich auf Mins Anruf wartete. Es war ein warmer Abend, aber die hübschen Blau- und Pinktöne des Sommerhimmels waren dunklen Wolken gewichen. Schwalben sausten noch durch die Luft und flitzten über die Straße. Weshalb hatte die Stadtverwaltung ausgerechnet an einer so einsamen Stelle eine Telefonzelle aufgestellt? Hinter einem Halbmond aus Gras, das schon bessere Tage gesehen hatte, und unter einem Weißdornbusch, der ständig raschelte? Ich stellte mir vor, wie die Vögel allmählich anfingen, die Köpfe zum Schlafen unter die Flügel zu stecken. Ich war auch sehr müde: Ich war die ganze Strecke gerannt, über den Hügel und den Feldweg entlang, dann über die Wiese und durch den Buchenwald. Mich hatte plötzlich eine panische Angst gepackt, Min könnte zu früh anrufen.
Der Hund entfernte sich, um nach den Bienen zu schnappen, die immer noch eifrig im Unkraut herumsummten. Ich öffnete die Tür der Telefonzelle, klemmte sie fest und behielt die an der Decke angebrachte runde Metallklingel im Auge, weil sie immer schon zu vibrieren anfing, noch bevor der Ton zu hören war.
Ferruginous – eisenhaltig : So nannte der englische Proust-Übersetzer den Klang der Klingel, die Swanns Ankunft verkündete. Konnte man dieses Wort für jede Art von Metall verwenden, oder musste es Eisen sein?
Die Glocke zitterte. Ich nahm den Hörer. »Hallo, Min? Min, ich muss dir etwas über den Point erzählen.«
Aber dann spannte ich sie auf die Folter. Ich schilderte ausführlich die ganze Entwicklung – wie ich nach Milbay gefahren war und dort vor dem Spar-Supermarkt gestanden hatte, der jetzt in dem ehemaligen Bailey war, und dass es Oma Barrys Wohnung auch nicht mehr gab. Dann war ein Junge aufgetaucht, der aussah, als müsste er eigentlich in der Schule sein, und dieser Junge hatte gesagt, da alle Kinder in der Schule seien, könnte ich an einem der Bibliothek-Computer im Internet recherchieren, und das tat ich dann auch.
»Ist das alles, was du mir erzählen willst?«
»Nein. Warte.«
Wo war die Bibliothek?
Neben den Elektrizitätswerken.
Als ich dort vorbeiging, blieb ich stehen, schnitt eine Grimasse und streckte den Bügeleisen, Lampen und Kühlschränken die Zunge heraus, weil ich den Ingenieur, der mir keinen Strom geben wollte, keineswegs vergessen hatte. Und ich hoffte, dass er mich sah.
»Erinnerst du dich, dass ich in der Bibliothek etwas über Stoneytown gelesen habe? Seither weiß ich, dass die Einwohner nach Milbay ziehen mussten und dass sie dann nach und nach verschwunden
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