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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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wie es den Ziegen gehe und was der Hund mache – aber sie war nicht mit dem Herzen bei der Sache. Sie sagte, dass sie nächsten Samstag wieder um dieselbe Zeit anrufen würde, und ich erwiderte, es gebe keinen nächsten Samstag – nächste Woche um diese Zeit sei sie schon zu Hause. An dem Tag war mein Fest! Dann sagten wir »Gute Nacht« und »Tschüss« und »Pass gut auf dich auf« und »Alles Gute«. Und das war’s.
    Ich ging ein Stück die Straße entlang, dann bog ich in den Feldweg ein. Wolken, so hauchdünn wie Holzrauch, schwebten am Mond vorbei und versammelten sich an den Rändern des stummen Horizonts. Die Umgebung des Mondes ließen sie frei. Ich sah den Abendstern leuchten, ein einsamer Lichtpunkt am Rand des Himmelsgewölbes. Dieser Stern schien immer ein universelles Signal zu verschicken – Hallo? Hallo? Ist da draußen irgendwo noch ein Stern, der mir Gesellschaft leistet? Armer Keats. »Bright star, would I were steadfast as thou art …« Glänzender Stern! Wär ich doch so stet wie du! Keats bedauerte es sehr, dass er nicht mit seiner Freundin geschlafen hatte, bevor er krank wurde. Man bedauert später vieles, auch wenn man nicht jung stirbt.
    Der Hund rieb sich an meinem Bein – etwas musste ihn erschreckt haben. Wenn Leo wenigstens einen Hund hätte … Aber er hatte nichts, abgesehen von den Dingen in seinem Kopf. Und
er hatte niemanden, außer seinen Söhnen, die er so gut wie nie sah.
    Ich versuchte, die Menschheit in die richtige Perspektive zu rücken, indem ich nach oben schaute und versuchte, aus dem Blickwinkel der Gestirne die Erde zu betrachten. Dann würde ich sehen, wie unwichtig ich war und wie unwichtig Leo war und überhaupt alle Menschen, im Vergleich zu den unge heuerlichen Entfernungen im Universum. Ich wusste ja, dass ich dem Kosmos gleichgültig war, aber trotzdem schaffte ich es nicht, diese Gleichgültigkeit innerlich zu spüren. Ich konnte nicht anders, als der Natur gegenüber zärtliche Gefühle zu hegen, auch wenn die Natur diese Gefühle nicht erwiderte. Es gefiel mir, dass der Hund bei mir Schutz suchte. Die dunkle Silhouette des Waldes gefiel mir. Es gefiel mir, dass die Formen in meiner Umgebung mir vertraut waren. Es machte mir Freude, die weißen Linien zu beobachten, dort, wo die Wellen ans Ufer rollten – sie wirkten so zielbewusst, und sie waren das einzig Helle, das sich regelmäßig durch die Dunkelheit bewegte.
    Ich konnte einfach nicht glauben, dass das, was ich tat oder nicht tat, völlig bedeutungslos sein sollte. Auch das Wissen, dass das Universum sich nicht darum scherte, änderte nichts an meinem Grundgefühl. Was ich in Bezug auf Leo machte, war wichtig. Es konnte einfach nicht gut sein, jemanden ganz allein an der italienischen Adria verrotten zu lassen. Die Menschen suchten immer wieder Kontakt. Und der Winter war nicht mehr fern.
     
    Am Montagmorgen erschienen Andy und der Tierarzt, um nach Mother Ireland zu sehen.
    »Ihr fehlt nichts«, erklärte der Arzt, während er eine Tasse Tee trank. »Und sie wird viel mehr Menschen glücklich machen, wenn sie tot ist, als sie es zu Lebzeiten je getan hat.«

    »Aber nein«, rief ich. »Mich macht sie glücklich. Den Hund und die Katze macht sie auch glücklich.«
    Er schaute mich an. Ich spürte, dass er eine mittelalte Frau vor sich sitzen sah, deren Haarwurzeln seit einem Monat grau nachwuchsen, die Stoffschuhe mit einem Loch an der großen Zehe trug und sentimentalen Quatsch redete. Er beschloss, einfach gar nichts dazu zu sagen. Deshalb wusste ich es doppelt zu schätzen, dass Andy mich anlächelte und sagte: »Sie müssen alle fort, bevor der Winter kommt, Rosie. Alle, die nicht mit der letzten Ladung verschickt werden, müssen geschlachtet werden.«
    »Wann wird die letzte Ladung verschickt?«
    Ich dachte, er würde sagen, Ende Oktober. Oder im November. Andy ging immer im Winter mit NoNeed nach Afrika, um den Leuten, die Nutztiere bekommen hatten, beizubringen, wie sie mit ihnen umgehen mussten. Ich wusste auch, dass er und Pearl schon eine ganze Weile vor dem eigentlichen Termin Weihnachten feierten – er lud seine Mutter immer in das feinste Lokal von ganz Dublin ein, und dann packten sie zu Hause ihre Geschenke aus.
    Deshalb war ich schockiert, als er sagte: »Spätestens Anfang Oktober. Vielleicht sogar schon früher.«
    Ich schaute ihn fragend an, aber er blickte hinaus aufs Meer.
    »Bitte, hol sie nicht vorher weg!«, flehte ich ihn an, obwohl der Tierarzt auch da stand und

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