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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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»Einsamkeit«, aber eigentlich war es eher eine Art Trauer. Ich starrte ins Dunkel und
versuchte, über die Zukunft nachzudenken, doch dann kam die Vergangenheit angeschlichen und überschwemmte die Zukunft mit Wehmut und Schmerz. Warum war Schwester Cecilia gestorben, bevor ich die Möglichkeit hatte, sie richtig kennenzulernen? Mir fielen verschiedene Ereignisse ein – zum Beispiel kam sie einmal zu uns, als ich krank war, um mir meinen Text für die Operette Der Mikado beizubringen. Sie saß neben dem Bett und hielt meine Hand, und dann strich sie mir sanft übers Haar. Und Lalla. Wenn man von einem hohen Balkon springt, wie oft sagt man sich vorher: »Das ist das Ende«? Und mein Dad. Ich sah sein Gesicht vor mir, im letzten Sommer in der Hütte, nachdem ich im Harbour Nook drei Cupcakes mit Zuckerguss für den Nachmittagstee gekauft hatte und unter dem Viadukt hervorkam, wo die Gleise über die Straßen führten. Mein Vater wartete auf mich, er saß auf einem Poller, weil er schon zu müde war, um länger zu stehen. Er schaute mich so verzweifelt an, und es dauerte einen Moment, bis er sich wieder zusammenreißen konnte.
    Bitte, lass Min nicht sterben!, flüsterte ich in die Finsternis hinein. Ich kann mit fast allem, was passiert, fertigwerden, aber Min darf nicht sterben.
    Min ist so glücklich und zufrieden wie noch nie in ihrem Leben! Warum jetzt überhaupt an ihren Tod denken?
    Sie trauerte sehr lange um meinen Vater. Noch nach vielen Monaten – ja, auch nach zwei, drei Jahren noch – konnte es vorkommen, dass sie sich plötzlich hinsetzte und reglos auf den Fernseher starrte, egal, was gerade kam. Ich wunderte mich oft, wie still sie ohne ihn war. Sie hatte ihn immer eher schroff behandelt, burschikos und unsentimental. Ich hatte nicht gewusst, dass ihr Geplapper als Gegengewicht sein Schweigen brauchte. Ihre Entschiedenheit brauchte seinen Zweifel. Ich hatte sie und meinen Vater immer als separate Wesen empfunden und nie gemerkt, dass sie jeder auch die Hälfte eines Paares waren.

    Vielleicht sind wir ja auch ein Paar, Min und ich, dachte ich. Obwohl wir nicht Mann und Frau und auch nicht Mutter und Kind sind. Sehne ich mich deshalb so danach, sie zu sehen, ihre kleinen Hände, die den Griff der Einkaufstasche umklammern, ihre schwarzen Augen und ihre dichten Haare, ihre flinke, wenig elegante, aber beinah jugendliche Art zu gehen? Sie und ich ergeben ein Ganzes. Und wenn nicht, sind wir doch Teile desselben Ganzen.
    Sie rief immer noch jeden Samstag die Telefonzelle an, aber jetzt um vier Uhr nachmittags, weil es ja schon so früh dunkel wurde.
    Einmal erzählte sie mir von der Party, die Markey und Billy an ihrem fünfundzwanzigsten Jahrestag gefeiert hatten. Ihr war gar nicht klar gewesen, dass mir noch nie jemand Billy geschildert hatte. Wie konnte es sein, dass ich nicht wusste, wie der Mensch aussah, den Markey lieben konnte, auch wenn ich schon so oft von ihm gehört hatte?
    »Das Fest fand in einem großen Saal auf einer Insel statt, wir mussten alle mit der Fähre rüberfahren. Das hättest du sehen sollen! Die Leute hatten ein Vermögen für den Friseur ausgegeben, und was der Wind dann mit ihnen angestellt hat! Ein paar Gäste hatten Silberzeug in den Haaren, weil es ja so eine Art Silberhochzeit war, nach fünfundzwanzig Jahren, aber die tollen Dekorationen sind fast alle ins Meer gesegelt. Eine Frau ist die Treppe runtergefallen, aber zum Glück war sie selbst Ärztin. Und soll ich dir sagen, was ich gemacht habe? Rate mal! Da kommst du nie drauf. Ich habe Luz’ Gehhilfe mit lauter Glitzersteinen verziert. Dieser Sekundenkleber ist sagenhaft gut. Sieht aus wie lauter Diamanten. Sie leuchten sogar im Dunkeln. Luz macht das gut mit der Gehhilfe. Vielleicht fahren wir an Weihnachten nach Mexiko, weil sie sich ja jetzt wieder einigermaßen bewegen kann.«
    Ich war so enttäuscht, dass ich kein Wort herausbrachte. Aber Min merkte es nicht und redete munter weiter. Was hätte ich
auch sagen können? Dass ich mich mehr oder weniger darauf verlassen hatte, dass ich sie besuchen konnte, um aus diesem Tief herauszukommen? Dass ich mir in der Bibliothek schon die Flüge nach Seattle vom Computer ausgedruckt hatte und unbedingt die verschiedenen Varianten mit ihr besprechen wollte?
    Garantiert würde sie entgegnen, dass ich ja oft genug an Weihnachten nicht nach Dublin gekommen war und sie nie gefragt hatte, ob ihr das passte oder nicht. Und dass ich mich auch nie erkundigt hatte, was sie plante.

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