Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
bei der extremen Flut verirrt hatte. Er stank, aber ich ging trotzdem jeden Tag an ihm vorbei, weil es meine übliche Strecke war. Manchmal begegnete ich jemandem. Immer wieder kamen jetzt Leute von Milbay mit dem Boot herüber, um Steine, Dachplatten, Eisenriegel, Türbalken und überhaupt alles abzutransportieren, was in den Häusern hier nicht niet- und nagelfest war. Selbst ein paar der großen Küchenherde verschwanden – was ich daran erkannte, dass ganze Vorderfronten demoliert wurden.
Ich glaube, ich wirkte einigermaßen normal, wenn ich den Plünderern über den Weg lief. Ich lächelte und nickte, trotz allem, und ging mit meinem Hund an ihnen vorbei. Man konnte diese Leute in ihrem Tun nicht hindern, und es war ja sogar einigermaßen
legal; die Bezirksverwaltung plante offenbar, einen Strandpark anzulegen, von der Hauptstraße bis zum Milbay Point. Also konnte man die Behauptung aufstellen, dass Stoneytown der ganzen Bevölkerung gehörte.
Solange sie mir nicht zu dicht auf die Pelle rückten, interessierten mich die Leute sowieso nicht. Solange keiner von ihnen über die Ruinen am Ufer kletterte oder sich dem Haus von hinten näherte. Falls das je passieren sollte, konnte ich für nichts garantieren. Es kam niemand, bevor das schlechte Wetter einsetzte, und danach begrüßte ich freudig jeden Tag mit Sturm und Regen. Je unfreundlicher die Witterung, desto besser waren meine Chancen, von morgens bis abends keinen einzigen Menschen grüßen zu müssen.
An der Ostküste Irlands sind die Winter sehr hart. Ein Arbeitstrupp riss die Gebäude des ehemaligen Trainingslagers ab und entfernte die alte Landebahn. Die Männer wussten, dass ich in dem Haus am Point lebte; sie winkten mir zu, wenn ich mit dem Auto nach Milbay und zurück fuhr. Tagsüber leistete mir der Lärm ihrer Maschinen Gesellschaft. Meine kleine Hündin besuchte die Arbeiter, und wenn sie zurückkam, roch sie nach dem Schinken ihrer Sandwiches. Aber im November wurde es schon gegen vier Uhr nachmittags dunkel, und die Männer gingen nach Hause. Der Wind, der das feindselige Ufer entlangfegte, schien immer heftiger zu werden.
Der Schöpfer hat die Brachvögel auf die Erde geschickt, um den Menschen zu demonstrieren, wie Verlassenheit klingt, dachte ich.
»Das ist okay, macht mir nichts aus«, sagte ich, als Andy kam, um mir mitzuteilen, dass er und seine Mutter nach Laos fahren würden. »Aber ich weiß gar nicht, was mir zurzeit überhaupt etwas ausmacht – außer dass du die Kälte ins Haus gebracht hast.«
Ein eisiger Luftzug strömte herein, als ich ihm die Tür öffnete, und das genügte schon fast, um mich gegen ihn aufzubringen
und mich über seinen Besuch zu ärgern. Siehst du, was er getan hat? Er hat meinem Widersacher geholfen. Der Herd schien kaum Wärme auszustrahlen. Ich füllte den Feuerrost mit Kohlen und Holz, und die Temperatur sank schon wieder, ehe das Feuer richtig brannte. Ich floh nach oben ins Bett. Andy hatte mir geholfen, es an die Stelle zu schieben, wo das Ofenrohr durch den Fußboden nach oben kam. Ich verkroch mich unter der Decke, und meine kleine Hündin bezog neben mir ihren Posten, und da saß sie dann, mit ihrem feinen Gesichtchen, hellwach und lebendig, während ich horchte, wie der Regen auf das Dach trommelte, wie der Wind ums Haus heulte und wie die Wellen gegen die Steine klatschten. Unter der Decke wurde mir ziemlich schnell warm. Aber wenn mir warm war, fiel mir wieder ein, wie unendlich einsam ich war. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch, der so rastlos war wie ich, sich so einsam fühlen könnte. Was war nur mit mir los? Ich hatte doch immer alles allein gemacht. Ich hatte allein meine Sachen gepackt und war mit dem Taxi zum Flughafen gefahren. Ich hatte genau gewusst, wie man das macht. Man musste im Sommer früh aufstehen und an regnerischen Abenden ein Feuer im Kamin machen und eine Flasche Wein öffnen. Und man musste Henry James lesen, wenn man vor irgendwelchen Büros wartete, in denen Personen saßen, die über eine Arbeitserlaubnis oder über eine Steuerrückzahlung entschieden oder deren Stempel auf einem Stück Papier einem gestattete, dieses oder jenes Land zu betreten. Ich wusste, wie man in der Morgendämmerung aus einem Schlafzimmer schlich und geräuschlos die Tür hinter sich zuzog. Ich konnte eine Landstraße entlanggehen, ohne hochzublicken, wenn ein Auto das Tempo drosselte. Für mich war es nie ein Problem gewesen, allein zurechtzukommen.
Ich bezeichnete meinen Zustand als
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