Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Deshalb habe ich beschlossen, sie zu verändern.«
Irgendwo in der Ferne schlug eine Kirchenuhr. Markey hatte früher sämtliche Kirchenglocken in Dublin gekannt. Er konnte immer genau sagen, in welcher Kirche sie gerade läuteten.
»Ich hätte es euch schon längst gesagt«, sagte Tess. »Aber ich war mir selbst nicht ganz sicher – eigentlich weiß ich erst seit heute, dass ich es durchziehen will. Heute Morgen hatte ich eine kleine Auseinandersetzung mit Paschal Kelly, meinem Arzt – mit El Creepo , wie ihn sein Personal nennt. Ich habe nämlich erzählt, dass ich vorhabe, eine Woche in ein Wellness-Hotel zu gehen, und ihm fiel nichts Besseres ein, als eine blöde Bemerkung zu machen, dass alleinstehende Personen natürlich jeder Laune nachgeben können, wohingegen verheiratete Männer tausend Verpflichtungen haben, denen sie sich, leider, nicht
entziehen können. Er sagte wirklich ›leider‹. Ja, und ich habe dann gesagt: ›Hör zu, mein Lieber, deine Kinder sind inzwischen um die vierzig, das heißt, wenn sie immer noch eine Belastung für dich sind, dann ist irgendetwas schiefgelaufen.‹ Aber trotzdem hat es mich dazu veranlasst, mal wieder darüber nachzudenken, was es heißt, ein Single zu sein. Und welchen Unterschied es macht, ob man verheiratet ist oder allein.«
»Aber du wirkst immer so freundlich und ausgeglichen, Tess!«, rief ich, und Peg sagte gleichzeitig: »Ich dachte, du bist gern Single!«
»Erinnerst du dich noch an das Cottage in Kilternan, das du früher immer gemietet hast, und wie es dort nach Stechginster roch?«, fragte ich. »Und einmal hast du eine Party organisiert, als der Schnee bis zum Fenster ging. Der Buchladen war geschlossen, weil sämtliche Rohre eingefroren waren, und dann sind wir alle irgendwie zu dir rausgefahren, mit einem Karton Wein und mit genug Räucherlachs, um ein Geschäft aufzumachen. Erinnerst du dich?«
»Das ist dreißig Jahre her, Rosie«, sagte Tess.
Und Peg murmelte fassungslos: » Dreißig Jahre!«
Eine Weile schwiegen wir alle drei.
»Ich habe mir überlegt, dass ich Menschen helfen will, ein besseres Leben zu führen«, sagte Tess schließlich. »Deshalb mache ich ja die Ausbildung als Therapeutin. Klar, ich war aus den gleichen Gründen in der Gewerkschaft, aber da musste man sich mit so vielen Betonköpfen herumschlagen. Ich möchte aber nicht nur anderen Menschen beistehen …« – sie räusperte sich – »… das heißt, eigentlich will ich vor allem etwas über mich selbst erfahren.«
Sie holte tief Luft, dann fügte sie hinzu: »Deshalb habe ich beschlossen, mich mit Andy zusammenzutun.«
Ich glaube, mir blieb der Mund offen stehen. Andy! Andy war für uns alle eine Art Bruder. Wenn er von seinem landwirtschaftlichen
Betrieb nach Kilbride kam, um Pearl zu besuchen, reparierte er unsere kaputten Geräte, brachte uns frische Eier mit und so weiter. Aber als Mann hatten wir ihn noch nie betrachtet. Er war langsam und zerstreut, was mich, ehrlich gesagt, oft ziemlich nervte, obwohl ich genau wusste, dass er im Grund ein sehr einfühlsamer und anständiger Mensch war.
»Weiß Andy schon von seinem Glück?«, fragte Peg nach einer Pause.
»Nein«, antwortete Tess. »Aber es gibt ja sicher nicht allzu viele Frauen, die einem fast fünfundsechzigjährigen Kleinbauern, der hart arbeitet und wenig redet, einen Antrag machen würden, oder? Der Hof ist nicht groß genug für ein junges Mädchen, das eine Familie gründen möchte, und außerdem ist Andy ja permanent unterwegs und sammelt Tiere für Afrika. Tante Pearl ist schon über achtzig und macht sich Tag und Nacht Sorgen um ihn. Und …«, Tess zögerte einen Moment, weil sie doch nie etwas Gefühlvolles sagte, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, »und ich möchte, dass sie glücklich stirbt, die alte Frau«, fügte sie schüchtern hinzu. »Das würde mich sehr froh machen.«
»Aber Tess!«, riefen Peg und ich wie aus einem Mund, und ich fügte hinzu: »Tess, du musst dann mit Andy schlafen. Nackt, im selben Bett. So wie Mann und Frau.«
»Das weiß ich, danke«, entgegnete Tess sarkastisch. »Ich weiß, was die ehelichen Pflichten sind.«
»Aber Tess, was ist mit Andy? Du hast ihn doch noch gar nicht gefragt, ob er dich heiraten will, oder?«
»Andy fragt man nicht«, antwortete sie. »Andy sagt man, wo’s langgeht.«
Danach war es ganz still im Auto.
Der Abendstern war schon untergegangen, aber der Gehweg und die Zweige des Apfelbaums in Reenys Garten, die längst nicht
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