Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
wenn er bei uns ist. Gut achtzig Prozent der irischen Bevölkerung – also in der Republik Irland – gehen in die Kirche.«
»Es ist überhaupt nicht schlecht , wenn man katholisch ist«, beschwichtigte sie Tess. »Das hat Rosie doch gar nicht gesagt, sondern …«
»Aber sie hat es angedeutet.«
»Stimmt nicht.«
»Doch, ich habe es schon so gemeint«, mischte ich mich ein. »Ich verstehe nicht, wie man da knien kann – wie kannst du vor einem Mann niederknien, Peg, der sich selbst als Priester bezeichnet und der zu einer Organisation gehört, die nur aus Männern besteht und sich darauf spezialisiert hat, Frauen einzuschüchtern und zu tyrannisieren? Früher waren diese Typen auch nicht besser als die Taliban, und im Grunde sind sie heute noch so, wenn man sie lässt. Zum Beispiel wollen sie den armen Frauen in Afrika, die zwanzig aidskranke Kinder haben, unbedingt weismachen, sie hätten den Willen Gottes erfüllt, weil sie nicht die Sünde der Empfängnisverhütung begangen haben. Diese Männer sitzen in Rom auf ihren fetten Ärschen und rennen in ihren komischen Kutten und Umhängen durch die Gegend, als wäre es das Normalste auf der Welt, und dann denken sie sich dauernd irgendwelche Sachen aus, die Gott angeblich befohlen hat. Kein Wunder, dass ich von Irland weggegangen bin. Alle Leute sollten von hier weggehen. Vor allem die Frauen! Sie sollten von hier abhauen, weg von den um sich schießenden Männern und weg von diesen Priestern, die …«
»Die Priester sind nicht Gott!«, unterbrach mich Peg. »Die Kirche besteht aus den Menschen, die ihre Mitglieder sind, aber Gott ist in der Liebe, die sie miteinander verbindet.«
»Erzähl das doch mal dem Papst!«, rief ich. »Erzähl es der armen Frau, die eine Gebärmuttersenkung hat! Erzähl es …«
»Herrgott noch mal!«, schimpfte Tess. »Könnt ihr zwei endlich aufhören?«
Ich atmete tief durch, so leise ich konnte. Immer, wenn wir uns trafen, wurde Peg mindestens ein Mal sauer auf mich. Was mich dann auch aus der Ruhe brachte. Ich hatte ihr schon so oft versichert, dass ich mich nicht für etwas Besseres hielt, nur weil ich im Gegensatz zu ihr das Land unserer Kindheit verlassen hatte. Ich sei zwar viel gereist, erklärte ich ihr immer wieder, aber Reisen sei nichts Besonderes, wenn man nicht viel Geld hat. Aber war es nicht doch etwas Besonderes gewesen? Ich dachte zum Beispiel an einen Morgen – und diese Erinnerung war nur eine von vielen Tausend -, an dem ich ganz früh in einem Dorf auf dem Peloponnes auf den Bus wartete. Ich saß in einer Bar, im Halbdunkel standen die griechischen Männer an der Theke, tranken ihren Kaffee und ihren Raki. Die Lampe flackerte vor einer Wand mit Ikonen. Draußen ergoss sich die goldene Morgendämmerung über das Kopfsteinpflaster des alten Marktplatzes und wanderte dann durch die offene Tür. War ich zu beneiden, weil ich solche Augenblicke erlebt hatte? Wenn es andersherum wäre und nicht ich, sondern Peg weg gewesen wäre, hätte ich sie jedenfalls glühend beneidet.
»Tut mir leid, Mädels«, flüsterte Peg. »Ich weiß auch nicht, warum ich zurzeit so empfindlich auf alles reagiere. Dabei nehme ich doch Johanniskraut. Aber das hilft nicht viel, glaube ich. Vielleicht muss ich mal wieder zur Akupunktur.«
»Akupunktur ist nur ein Trostpflaster«, sagte ich. »Wir haben doch Wünsche und Bedürfnisse, wir drei, und …«
»Du triffst den Nagel auf den Kopf!«, unterbrach mich Tess. »Wünsche! Bedürfnisse! Vielleicht können wir mal über meine Wünsche und Bedürfnisse reden. Übrigens – ich habe eine Neuigkeit, die euch bestimmt interessieren wird.«
»Spuck’s aus, Tess!«, rief ich.
»Aber jetzt habe ich gerade den einzigen Parkplatz in der Nähe von Rosies Haus gesehen …«
»Mensch, Tess!«
»Moment.«
»Könntest du dich bitte beeilen, Tessa?«, brummte Peg. »Ich habe nämlich meinem Vater versprochen, dass ich vor elf zu Hause bin.«
»Ich habe es satt, dass ich dir immer wieder sagen muss, du sollst dich von diesem Mann nicht so tyrannisieren lassen! Du führst dich auf wie eine Märtyrerin«, sagte Tess und stellte den Motor ab.
Ich lehnte mich zurück und wartete. Tess war einfach klasse, fand ich. Egal, was sie machte – es war immer handfest und klug. Tess handelte, während ich nur ständig schmollte und nörgelte.
Sie schwieg einen Moment, dann fing sie an zu reden.
»Wisst ihr, ich bin nämlich gar nicht mit meiner Situation zufrieden, auch wenn Rosie das denkt.
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