Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Die meisten Frauen, die vierzig oder älter sind, gefallen sich selbst nicht, wenn sie nackt sind. Sie hassen ihren Körper, hat eine neue Untersuchung ergeben. Nur dreieinhalb von zehn Frauen finden sich gut. Bei den jungen Frauen sind es immerhin sieben von zehn. Ist das nicht furchtbar, Mädels? Diese Frauen hassen ihren Körper!«
Aber Peg, die noch immer die gleichen Klamotten von der Stange trug wie schon als junges Mädchen, auch wenn sie im Lauf der Jahrzehnte sicher drei Größen zugelegt hatte, lächelte nur geistesabwesend. Heute hatte sie Bluejeans an, dazu eine Bluse mit einem kleinen Rüschenkragen und Puffärmeln. Sehr niedlich.
»Ich würde es nicht als ›furchtbar‹ bezeichnen, Rosie«, entgegnete sie sanft. »Da gibt es ganz andere Sachen, die wirklich furchtbar sind, finde ich.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Grausamkeit. Gewalt gegen Kinder. Oder auch Misshandlung von Tieren.«
»Ja, klar«, sagte ich. »Aber wenn der Selbsthass das Leben dieser Frauen ruiniert, dann ist das doch auch eine Form von Grausamkeit. Sie sind grausam zu sich selbst, sozusagen stellvertretend für den Rest der Gesellschaft, in der die Frauen so negativ gesehen werden, dass sie ihren eigenen Körper nicht annehmen können, wie er ist.«
Ich verstieß gegen ein ungeschriebenes Gesetz. Wir drei redeten eigentlich nie über unser Äußeres. Höchstens mal über unser Gewicht, aber mehr nicht. Als wir noch jünger waren, kam es öfter vor, dass Tessa und ich seufzend oder kichernd den Kopf schüttelten, weil die Sache mit den Männern immer so kompliziert
war, und Peg beteiligte sich auch daran, allerdings etwas später und nur, bis sie sich mit Monty zusammentat. Wir verstanden einander so perfekt, dass wir keine Worte brauchten, fanden wir. In Wirklichkeit war es aber so, dass wir nicht darüber sprechen wollten. Wir klammerten einfach sehr vieles aus. Unsere Nähe basierte auf Zurückhaltung.
Ich hatte den Artikel absichtlich mitgebracht, weil ich herausfinden wollte, ob wir diese Barriere überwinden konnten. Wie war es möglich, dass sich im Lauf der Jahre so vieles in unserem Leben veränderte, während das Schlankheitsideal unangetastet blieb? Die Frauen, die bei dieser Studie mitgemacht hatten, waren alle schon älter und nicht mehr aktiv auf Partnersuche. Gehörte es zum Schicksal der modernen Frau, sich gegen ihren eigenen Körper aufzulehnen? Reagierten meine Freundinnen genauso verwirrt und betroffen auf die ersten Anzeichen des Alters wie ich selbst?
»Komm schon, Peg«, sagte Tess, ohne den Blick von mir zu nehmen, als müsste sie mich im Auge behalten, weil ich irgendwie gefährlich war. »Stell mir eine Frage.«
Peg schlug das Buch auf. »Wenn man die Punkte berechnet, die man auf der Hand hat«, las sie vor, »wie viel bekommt die Pik-Zehn, wenn Ass, König, Dame und Bube von Pik die einzigen Trumpfkarten sind?«
Nach einer Pause antwortete Tess zögernd: »Zählt die Zehn dann überhaupt?«
»Sehr gut! Man zählt sie nicht mit. Jetzt bist du dran, Rosie. Was bedeutet es, wenn man mit einer Kreuzkarte anfängt?«
»Das wird nach Seite fünf erklärt«, sagte ich. »Ich bin nur bis Seite fünf gekommen.«
»Wir müssen lernen, solange wir jung sind«, erklärte Tessa. »Danach ist es zu spät.«
»Ich hasse es, wenn jemand sagt: ›Es ist zu spät‹«, warf ich ein. »Zu spät wofür? Falls ich es schaffe, dieses Buch zu schreiben,
kommt es erst in die Läden, wenn ich schon fast sechzig bin. Ist das dann auch schon zu spät oder was?«
»In was für Läden?«, fragte Tess.
»Wie meinst du das?«
»Was für Läden?«
»Na in alle. Überall.«
»Wie zum Beispiel dieses Buch Wie gewinnt man Freunde und Einfluss ?«, fragte Peg.
»Oder wie Sex und die alleinstehende Frau ?«, wollte Tess wissen.
»Ja, so ungefähr«, antwortete ich.
»Aber verstehst du denn etwas davon?«, fragten die beiden wie aus einem Munde, als hätten sie sich abgesprochen.
»Genau das ist es doch!«, rief ich. »Ich bin so ahnungslos wie alle anderen auch. Wir wissen nicht, was mit unserem Körper und mit unserem Kopf passiert, und wir haben nicht die geringste Ahnung, was wir tun sollen.«
Die beiden schwiegen wieder.
»Und außerdem …«, fuhr ich fort, »ich muss einfach irgendetwas tun. Ihr zwei seid ja irgendwie ganz zufrieden mit eurer Situation, glaube ich, aber bei mir ist das anders. Ich frage mich dauernd, was ich mit meinem Leben anfangen will. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich um Min
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