Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Skyfari-Kabinenbahn durch einen Park voller exotischer Tiere. Min fand vor allem die Elefanten faszinierend.
»Elefanten sind die einzigen Tiere, die tanzen können, hat mir mal jemand erzählt«, sagte ich, als wir an einem Picknicktisch einen Hotdog aßen.
»Bell tanzt auch«, sagte Min und schaute mich herausfordernd an, als würde sie Widerspruch erwarten.
»Okay. Aber sie sind die einzigen Tiere, die ihre toten Artgenossen betrauern.«
»Ach, tatsächlich?«, rief sie verdutzt. »Tun sie das?« Und schon sprang sie auf und lief noch einmal zum Elefantenhaus zurück. Ich folgte ihr. Aber als ich sagte, der alte Elefant da drüben mit den traurigen Rosinenaugen in den grauen faltigen Wangen sehe aus wie ein Politiker, warf sie mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Vielleicht denkt er an seinen toten Freund«, wies sie mich zurecht.
An diesem Tag besichtigten wir außerdem noch das Chrysler Building, weil ich Markey versprochen hatte, dass wir es in unsere Tour aufnehmen würden. Der Sicherheitsbeamte erlaubte uns, die wunderschönen Kacheln und Fresken und Einlegearbeiten in Wänden, Fußböden und Türen aus der Nähe zu betrachten, obwohl seit dem 11. September eigentlich keine neugierigen Touristen mehr zugelassen waren.
Min war besonders beeindruckt von den handwerklichen Feinheiten. »So was gibt’s bei uns zu Hause nicht«, sagte sie. »Die Iren sind zu grob dafür.«
Dann fiel uns ein, dass wir uns ja vorgenommen hatten, die Brooklyn Bridge zu Fuß zu überqueren. Wir fuhren mit dem Bus bis zur Brücke und gingen los. Aber es war so kalt und zugig da oben, dass wir auf halber Strecke kehrtmachten und zurück nach Chinatown fuhren, um für Min eine wärmere Jacke zu kaufen. Sie war begeistert, weil eine Daunenjacke, die angeblich hundert Dollar gekostet hatte, auf fünfzehn Dollar herabgesetzt war.
Am dritten Morgen gingen wir zum South Street Seaport und schauten uns in der Ausstellung zur Geschichte der Seefahrt ein großartiges Filmfragment an, das ein Seemann vor langer, langer Zeit gedreht hatte, als er mit einem winzigen Boot das Kap Hoorn umrundete. Danach schwieg Min sehr lange, und erst, als wir später einen Kaffee tranken, schaute sie mich traurig an und sagte: »Seit ich fünfzehn war, bin ich nirgends mehr mit dem Boot hingefahren.«
Um sie aufzuheitern, lud ich sie zu einer Fahrt mit der Fähre ein. Ich hatte in einem Reiseführer etwas darüber gelesen. Wir erwischten einen großen Pendler-Katamaran an einem Dock nicht weit vom Seaport. Er fuhr in schnellem Tempo hinaus in den Hafen, an Governors Island und Staten Island vorbei, um dann schließlich in New Jersey in einer Kleinstadt anzulegen, die im Sommer ein Ferienort war. Min blieb während
der ganzen Fahrt oben auf Deck und genoss jede Minute. Nachdem wir ausgestiegen waren, gingen wir die Main Street hinauf, die gesäumt war von Pensionen und Ferienapartments. Außerdem gab es natürlich Geschenkeläden, T-Shirt-Geschäfte und Eisbuden. Aber an einem Wochentag im Frühling war alles noch geschlossen. Und auch hier wehte ein unangenehm kalter Wind.
Mins Wangen waren von der frischen Luft und der Fahrt mit der Fähre gerötet. In ihrer hübschen Steppjacke sah sie aus wie ein braves kleines Kind.
»Da ist ein Schild, auf dem steht Meeresfrüchte – Offen «, sagte sie. »Da oben, auf dem Hügel. Hast du Lust? Ich bin doch mit Entenmuscheln groß geworden.«
Das hatte ich noch nie gehört. Meistens behauptete Min nämlich, sie könne sich nicht daran erinnern, was sie als Kind gegessen hatte – sie wisse nur noch, dass es nie genug war. »Aber es geht ziemlich steil bergauf, Min«, sagte ich. »Ich dachte, du willst dich nicht anstrengen. Und zu Hause behauptest du doch immer, du musst so viel im Bett liegen, weil deine Beine zu schwach sind.«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte sie ungerührt. Ich blieb mitten auf der sandigen Straße stehen und schimpfte los: »Auf die Idee komme ich, weil du nie aufstehen willst. Und wenn du es dann doch tust, verschwindest du gleich im …«
»Ich bin nicht aufgestanden, weil es nichts gab, wofür sich das Aufstehen gelohnt hätte«, entgegnete sie ganz freundlich. »Wenn ich in Kilbride aufstehe, weiß ich schon vorher, was es zu sehen gibt.«
Der Geruch, den die Holzwände verströmten, nachdem die Bedienung für uns den Heizstrahler angeschaltet hatte, erinnerte mich an Baileys Hütte. Und Mins gute Laune ebenfalls. Wir waren die einzigen Gäste in der Imbissbude. Min
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