Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
dass Min auch Dads Unterhosen bügelte und seine Bettlaken und seine Taschentücher und die kleinen Servietten, die sie auf sein Tablett legte, als er sich bei den Mahlzeiten nicht mehr an den Tisch setzen konnte. Auch eine Blume legte sie immer dazu, was ich wusste, weil sie mich einmal fast umbrachte, nachdem ich die letzte Blüte aus ihrem Chrysanthemenstock geklaut hatte. Von diesen so liebevoll dekorierten Tabletts ahnte Reeny nichts, obwohl sie dachte, sie wüsste alles. Wenn jemand ins Haus kam, verschwand das Tablett meines Vaters – hokuspokus – zwischen dem Klopfen an der Haustür und dem Betreten der Küche.
Die frisch befreiten Fenster knarzten in einem Windstoß. Ich ging nach hinten in den Garten, um mich ein bisschen in meinem
Königreich umzuschauen, ehe das große Unwetter kam. Am hintersten Ende des Gartens hingen die Überreste eines Holztors zwischen wunderschön gearbeiteten Pfeilern aus flachen Steinen, und von dort führte der Feldweg hinauf zum Wald. Ich folgte ihm ein Stück. Das verfilzte, nasse Gras der Wiese war mit winzigen blauen Blümchen durchsetzt. Vielleicht eine Kornblumenart? Immerhin wusste ich, dass es sich bei den Schwärmen krächzender brauner Vögel, die von den Dornensträuchern an der Böschung zur Wiese flogen, um Sperlinge handelte. Sie hatten noch einen anderen Namen, aber so hatte mein Vater sie immer genannt. Er wusste nicht viel, aber Namen und Begriffe fand er interessant. Im Gegensatz zu Min. Min hatte für nichts einen Namen. Und doch – hier war Mins Heimat.
Ich drehte wieder um, weil die Wolken immer dunkler wurden.
Min, die nie etwas besessen hatte, war nun die Besitzerin dieses Grundstücks.
Ein erster Regentropfen landete auf meiner Nase. Ich rannte los und durch den Garten, holte meinen Proviant aus der Küche und breitete ihn vorne, gleich hinter der Haustür, auf einer Automatte aus – meine Tüte mit Lebensmitteln und mein neues Messer, meine neue Gabel und ein Becher mit kristallklarem Quellwasser. Ich blickte hinaus aufs Meer. Eine weiche Regenwand kam auf mich zu, aber die Landzunge, auf der früher Baileys Hütte gestanden hatte, war noch zu sehen. Ich konnte die Stelle deshalb so genau ausmachen, weil sich dort inzwischen ein Container-Lager befand, und die Container waren hoch aufeinandergestapelt. Seit jeher war Milbay eine Hafenstadt gewesen, mit schmutzigen Kohleschiffen und stinkenden Trawlern. Alles andere als attraktiv. Aber ich liebte Milbay. Ich liebte auch den Fluss Milbay. Wer hätte gedacht, dass er mir in meinem Leben so viel Glück schenken würde? Dass ich auf den beiden
Landzungen, wo das Flusswasser sich ins Meer ergoss, absolut glücklich sein würde?
Ich musste zurück nach Dublin, um auf Mins versprochenen Anruf zu warten. Nach meinem Picknick schloss ich ganz langsam die Tür ab und drückte dabei mit der Handfläche gegen das alte Holz, weil ich seine seidige Glätte spüren wollte.
Als ich über die Anhöhe kletterte, nahm ich diese Pause wahr, die immer kurz vor Beginn der Dämmerung eintritt, wenn die ganze Natur einen Moment lang innezuhalten scheint. Der Containerpark auf der anderen Seite der Mündung, wo früher Baileys Hütte gestanden hatte, war im matten Abendlicht deutlich sichtbar. Die zauberhafte Stimmung, die Min immer ausgestrahlt hatte, wenn wir dort Ferien machten, erfüllte die gesamte Szenerie. Es war der Zauber eines unschuldigen Menschen, dachte ich. Min war damals eine junge Frau gewesen, die keinen Kontakt mehr zu ihrer eigenen Vergangenheit hatte. Sie hatte keine Eltern und keinen Geliebten, niemand schenkte ihr Bestätigung, niemand bewunderte sie, und sie arbeitete den ganzen Tag, ohne Bezahlung. Und dann hockte sie in dieser Hütte und schaute hinaus in den Sommerregen, zu ihren Füßen kauerte das Kind einer anderen, neben ihr saß der Mann einer anderen. Aber diese negativen Dinge definierten sie nicht. Sie konnte hemmungslos glücklich sein, wie ein Kind, und wenn sie glücklich war, verströmte sie dieses Glücksgefühl wie ein süßes Parfüm.
Min war alles andere als verwöhnt. Sie genoss nicht den Schutz, den eine Ehefrau beanspruchen konnte, aber sie war auch nicht auf dem freien Markt gewesen – sie musste sich nie zur Schau stellen, sich nie anbieten. Ihr Körper war nie die Währung gewesen, mit der sie bezahlte.
Ich lief schnell zu meinem Wagen. Nein, darüber hätte ich lieber nicht nachdenken sollen – über Mins unverwöhnten, aber auch unverbrauchten Körper und über
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