Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
hatte. So viel Blut, abgetrennte Köpfe, Zwerge mit abgeschlagenen Gliedm a ßen …
Immer tiefer ging es unter die Erde; die Treppe wollte nicht enden.
»Wenn ich mich seltsam verhalte, dann spiel bitte mit. Niemand darf Verdacht schöpfen. Im Moment ist alles ein wenig kompliziert.«
Das sagte er ihr jetzt?
Jenna verstärkte den Griff um die Henkel ihrer Arzttasche, die sie unter dem Umhang verbarg, und zog sich die Kapuze tief ins G e sicht. Währenddessen klopfte Dante an eine massive Tür, die sich wenige Sekunden später öffnete. Grelles Licht blendete ihre Augen und sie hörte, wie ihr Bruder mit jemandem sprach, vom dem sie nur den roten Umhang erkannte, weil sie den Kopf nicht heben wollte.
Der Dunkelelf ging voran, bis er vor einer der zahlreichen Zellen stehen blieb, die sich aneinanderreihten. Wo hatte Dante sie bloß hingeführt?
»Oh, wen hast du da mitgebracht, Königssohn?«, hallte eine liebl i che Frauenstimme durch die Gewölbe.
Jenna kam sie irgendwie bekannt vor.
»Das geht dich nichts an, Najade«, knurrte Dante.
Ein Kichern folgte, das Jenna eiskalte Schauder über den Rücken kriechen ließ. Eine Najade!? Was machte eine Nymphe hier unten?
Vorsichtig hob Jenna den Kopf, sodass sie in die Zelle blicken konnte, und sah ein nacktes blondes Mädchen in einem Wasserb e cken. Sie glich den anderen Wesen, mit denen Kyrian und sie in der Höhle Bekanntschaft gemacht hatten, bis aufs Haar.
Die Najade grinste sie an und sang: »Ich weiß, wer du bist, Freu n din vom dunklen Krieger.«
»Komm!« Dante ergriff ihren Arm und führte sie eine Zelle weiter. »Lasst die Kräuterfrau zur Gefangenen, Meister Brattok.«
»Wie Ihr wünscht, mein Prinz«, erwiderte der Wächter und Jenna hörte das Klirren eines Schlüsselbundes sowie eine andere Fraue n stimme, die sie aus ihren Träumen kannte.
»Dante!«
Das war Myra. Sie lag in der Zelle auf einer Pritsche und hielt sich den Bauch. Sie musste Schmerzen haben, denn sie schaffte es nur langsam, sich aufzusetzen. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Bitte, hol mich endlich hier raus!«
Darauf antwortete er nicht, sondern sagte nur: »Ich habe eine Kräuterfrau mitgebracht. Sie wird dich und das Baby gesund m a chen.« Er drückte Jenna in die Zelle, die hinter ihr abgesperrt wurde. Dann hörte sie, wie sich Dante und der Wärter redend entfernten.
»Scht, alles wird gut«, flüsterte Jenna und beugte sich über Myra. Als diese ihr Gesicht sah und ihre Augen vor Überraschung aufriss, drückte ihr Jenna schnell einen Finger auf die Lippen.
»Du bist keine von hier«, zischte Myra und schlug ihre Hand weg.
»Ich bin Dantes Schwester. Er hat mich geholt, um dich zu heilen.«
»Du bist … seine Schwester?« Die Brauen skeptisch zusammeng e zogen, musterte Myra ihr Gesicht.
»Ja, aber das darf keiner erfahren!«
»Der König …«, wisperte Myra und legte sich wieder auf die Pri t sche, wobei sie die Lider zusammenpresste. »Er würde dich hier g e nauso gefangen halten wie mich.«
Das war Jenna nur allzu bewusst, daher wollte sie sich beeilen, um schnell nach Hause zu kommen. In ihre Welt. »Dante wird einen Weg finden, dich hier rauszuholen. Vertrau ihm. Und jetzt lass mich nach dem Baby sehen.«
Als Myra zögerlich nickte, schob Jenna ihren Morgenrock auf. Ein wenig Blut klebte zwischen ihren Schenkeln. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
Jenna legte die Hände auf den nackten Bauch, schloss die Augen und sah in Myra hinein. Zuerst widmete sie sich dem Baby. Dessen Herz schlug normal und es befand sich genug Wasser in der Fruch t blase, doch leider auch Blut! Hinter der Plazenta saß ein Hämatom, das den Mutterkuchen ablöste.
»Bist du gestürzt?«, fragte Jenna.
»Der König hat mich geschubst.«
Noch ging es dem Baby gut, aber nicht mehr lange. In solch einer Situation musste die Schwangere sofort in die Klinik und alles für einen Kaiserschnitt vorbereitet werden, doch das kleine Mädchen war außerhalb des Mutterleibes noch nicht überlebensfähig.
Jenna konzentrierte sich stark, um die Plazenta zu reparieren. O b wohl es ihr meist mühelos gelang, wollte es diesmal nicht richtig funktionieren. War sie zu aufgeregt, weil sie sich um Noir sorgte und auch Angst um sich hatte? Niemals zuvor hatte sie so etwas Riska n tes unternommen.
***
V incent war schon einmal in Jamies Behausung gewesen, d a mals, als sie gegen den Dämonenfürsten Ceros angetreten waren. Nur zwei schmale Betten und wenige persönliche Dinge
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