Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Nagellack schimmerte. Alles an ihr war grazil. Perfekt.
Seufzend lehnte sie sich im Korbstuhl zurück und schlürfte ihren Eiskaffee durch einen Strohhalm. »Ich weiß nicht, wo ich noch s u chen soll. Niemand kennt meinen Vater. Vielleicht bin ich auf der völlig falschen Fährte.« Sie stellte ihre Handtasche auf den Tisch und zog die Karte hervor. »Wir haben alle Orte angesehen, an denen er sich laut der Rechnungen aufgehalten haben könnte. Viele Plätze gibt es hier nicht, die irgendwie mit unserer magischen Welt in Verbi n dung stehen.«
Unserer Welt … Wenn sie wüsste, aus welcher Welt er kam.
Er räusperte sich und stellte die Kaffeetasse ab. »Zeig mal her.« Diese Suche langweilte ihn, und wenn er sie beschleunigen konnte, um endlich zu einem Ergebnis zu kommen, würde er das tun.
Sie reichte ihm den Plan.
»Etwas außerhalb gibt es keltische Kultstätten, Steinkreise, das Ü b liche. Es würde Tage dauern, bis wir das alles abgeklappert haben.«
Sie seufzte erneut. »Ich weiß. Vielleicht sollten wir nach Hause fa h ren.«
Jenna machte einen so unglücklichen Eindruck, dass etwas in Kyr i an auftaute. Plötzlich wollte er ihr zuliebe ihre Vergangenheit aufd e cken. Angestrengt studierte er noch einmal die Karte und tippte den Namen der Ortschaft in sein Smartphone. Sofort bombardierte ihn die Suchmaschine mit Informationen. »Bei West Heslerton gibt es eine bekannte archäologische Stätte mit Funden aus verschiedenen Zeitaltern.« Solche Plätze waren bei Magiern begehrt, denn oft bez o gen sie Kräfte aus den altertümlichen Kultstätten. Kyrian blickte e r neut auf das Display und tippte weitere Namen ein. »Nicht weit von hier erstreckt sich der Danes Dyke, ein großer, doppelwandiger Erdwall, dessen Ursprung bis heute nicht geklärt werden konnte.« Das klang interessant. Aber dann fiel ihm auf der Magierkarte ein rotes Symbol auf, ein Halbkreis, der durchgestrichen war. Kyrian hielt Jenna den Plan vor die Nase und deutete auf den Punkt, der sich nur wenige Meilen entfernt an der Küste befand. »Was ist das?«
»Ein Ort, um den man einen großen Bogen machen sollte, wenn einem sein Leben …« Jenna beugte sich nach vorn und riss ihm die Karte aus der Hand. »Das sehen wir uns an! Warum bin ich nicht gleich drauf gekommen? Das ist der einzige Ort im ganzen Umkreis, den es zu meiden gilt.« Ihr Gesicht strahlte, ihre Wangen röteten sich vor Aufregung.
Kyrian schluckte. Was, wenn sich dort auch seine Fragen klärten und herauskam, dass Jenna diejenige war, nach der Lothaire schon ewig suchte? »Bist du sicher?«
Sie war aufgestanden und winkte dem Kellner. »Worauf wartest du? Schmeiß den Motor an, wir fahren zum Kliff.«
Kyrian würde sich wohler fühlen, wenn er mit Jenna über die grünen Hügel der Wolds spazierte, als über den schmalen Strand, an dem die Brandung grollte. In ihren Sandalen fand sie kaum Halt auf den Ste i nen, weshalb sie sich bei ihm eingehakt hatte. Ihre Nähe war höllisch und angenehm zugleich. Er fühlte sich innerlich zerrissen und durcheinander, weil sich alles in seinem Kopf drehte. So viele G e danken beschäftigten ihn. Wenn Jenna nicht diejenige war, ve r schwendete er wertvolle Zeit. Leider gefiel es ihm, mit Jenna Zeit zu verschwenden.
»Hier muss es doch irgendwo einen Eingang geben«, murmelte sie und starrte auf die grauweißen Kreidefelsen von Flamborough Head. »Ob ich einen Zauber probieren soll, um ihn zu finden?«
Kyrian versteifte sich und atmete tief den Geruch von Salz und Seetang ein. Sie wollte zaubern! Gut, dann sah er endlich, was sie an Magie beherrschte. Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. »Tu dir keinen Zwang an.«
Neugierig beobachtete er, wie sie die Hände hob, die Handflächen auf die Klippe vor sich richtete und etwas murmelte, das sich late i nisch anhörte.
Nichts passierte.
Grinsend drehte sie sich um, rote Flecken tanzten auf ihrem G e sicht. »Bin nicht mehr so in Übung.« Sie versuchte es erneut und diesmal verstand Kyrian, was sie sagte: »Conquiro caverna!«
»Und?«, fragte er vorsichtig, als er keine Veränderung bemerkte.
Jenna ließ die Arme sinken und die Schultern hängen. »Ich bin eine miese Hexe.«
Sie konnte also schlecht zaubern. Das war eine weitere Eigenart, die er an Jenna mehr als bezaubernd fand. Am liebsten hätte er sie umarmt.
Was hatte er nur für Gedanken? Bezaubernd … umarmen! I r gendwie musste Jennas positive Ausstrahlung auf ihn abfärben, denn solche Gedanken kannte
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