Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Warum nahm er sie mit? Wieso floh er nicht allein?
Als sie die Augen erneut öffnete, lag sie halb auf ihm, halb auf der Decke im warmen Sand. Feuchtwarmer Wind strich über ihr Gesicht und sie hörte die Brandung des Meeres. Erstaunt scha u te sie sich um. Sie waren im Paradies gelandet. Um sie herum e r streckte sich ein kleiner weißer Sandstrand. Hinter ihr lag das türki s farbene Meer und vor ihr wuchsen Palmen und saftig-grüne Büsche mit weißen, ora n gefarbenen, gelben und roten Blüten. Es war Hibi s kus. Der süße Duft wehte in ihre Nase.
Stöhnend setzte sich Kyrian neben ihr auf.
»Wo sind wir?« Jenna drehte sich zum Meer, sah aber nichts als Wasser, dann blickte sie nach oben. Obwohl sie das Blau des Hi m mels vor lauter Wolken nicht erkennen konnte, war es so warm, dass sie in ihren langen Anziehsachen bald schwitzen würde.
»Malediven«, hauchte Kyr.
Also im Indischen Ozean. Dort gab es über tausend dieser Inseln, die meisten waren unbewohnt, auf anderen lebten Einheimische und auf einigen standen nur Hotelanlagen. Das wusste sie aus einem Re i seprospekt, denn auf die Malediven hatte sie schon immer gewollt. Schwankend kam sie auf die Beine, weil ihr von der Translokation schwindelig war, und sah sich genauer um.
»Hier ist niemand«, erklärte er matt.
»Auch keine giftigen Tiere?« Sie hasste Skorpione und Spinnen und alles, was viele Beinchen oder mehrere Augen hatte. Aber sie glaubte gelesen zu haben, dass es auf den Malediven keine giftigen Krabbler gab.
»Das Einzige, was dir hier gefährlich werden kann, ist die Sonne.«
Jenna blickte erneut in den Himmel, an dem so graue Wolken hi n gen, dass es eher nach Regen aussah. »Und was ist mit dir? Wirst du mir gefährlich? Warum hast du mich entführt? Warum kann ich nicht zu Noir? Ich würde sie bestimmt überzeugen können, dass du nichts Schlimmes im Sinn hast, aber langsam strapazierst du mein Vertrauen mit deinen Aktionen.« Noir hatte ihn ihr doch empfohlen. Kyr musste sie beeindruckt haben, denn Noir vertraute nur sehr w e nigen.
»Glaub mir, ich bin keiner von den Guten«, murmelte er, rappelte sich auf und klopfte sich den Sand von der Hose. »Ich muss noch mal weg.« Schon war er verschwunden.
»Kyrian!« Panik befiel sie. Hatte er sie hier ausgesetzt? Was hatte er mit ihr vor? »Komm zurück!« Ihr Herz raste. Sie war hier ohne Ha n dy, ohne Wasser und Nahrung. Bei der Hitze würde sie keine drei Tage überleben. Ich muss noch mal weg, hatte er gemeint. Also kam er gleich wieder? Wo war er hin? Er hatte ausgesehen, als ob er sich kein weiteres Mal mehr translozieren konnte. Was, wenn er es nicht mehr zurück schaffte? Oder er sich zu der Lichtelfe begab und die ihn überwältigte? Oder er sie? Ich bin keiner von den Guten, hatte er gesagt. Und so, wie er es ausgesprochen hatte, klang es beinahe überzeugend. Verdammt!
Jenna lief zum Wasser. Wohin sie blickte, gab es nur Meer. Die I n sel konnte nicht groß sein, vielleicht sollte sie auf die andere Seite gehen, um zu überprüfen, wie die Lage dort aussah. Meistens reihten sich viele der winzigen Eilande aneinander. Möglicherweise war eine bewohnte Insel in der Nähe.
Unruhig tigerte sie zwischen Ufer und Böschung hin und her, ließ es aber bald bleiben, da es anstrengend war, im Sand zu laufen. Sie zog die Sandalen aus, weil die Körnchen hinter den Riemen bereits ihre Haut wund scheuerten. Um sich abzulenken, schüttelte sie die Decke aus und setzte sich darauf.
Wo blieb der Kerl nur? Hielt er sie hier gefangen? Sie sah auf die Uhr. Er war erst fünf Minuten weg, auch wenn es ihr wie fünf Stu n den vorkam. Was, wenn er doch böse Absichten hegte und sie das wegen ihres Verliebtseins nicht sehen wollte?
Wut ballte sich in ihrem Magen zusammen. War sie für alle bloß ein Spielball? Ihr Vater belog sie und hatte höchstwahrscheinlich ihr Gedächtnis manipuliert, und jetzt hinterging sie auch der Mann, in den sie sich verliebt hatte? Auf einmal lief alles aus dem Ruder. Sie hätte nie diese Reise unternehmen sollen.
Als es im Palmendach hinter ihr raschelte, zuckte sie zusammen und schaute genauer hin. Eine riesengroße Fledermaus hing kop f über vom Baum. Jenna erstarrte, ihr Herz raste wie ein Pressluftbo h rer. Glänzende Augen blickten ihr aus einem pelzigen Gesicht entg e gen.
Nein, das war keine Fledermaus, sondern ein Flughund.
Verkrampft atmete sie aus. Waren die gefährlich? Schlagartig wu r de ihr bewusst, dass sie, außer in ihrer Studienzeit,
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