Dunkle Umarmung
festliche Stimmung. Noch nie hatte ich so viele elegant gekleidete Menschen gesehen, selbst auf unseren anderen Reisen und Abschiedsfesten nicht. Viele Frauen trugen bestickte Ballkleider und waren mit Diamanten und Gold behängt, und manche hatten sogar Diamantdiademe auf dem Kopf, aber ich fand keine so hübsch wie Mama.
Tony Tatterton war einer der letzten Gäste, die eintrafen. Er sah in seinem eleganten Smoking sehr groß und schön aus. Er kam eilig auf uns zu, hatte ein belustigtes Lächeln auf seinen sinnlichen Lippen, und seine himmelblauen Augen funkelten.
»Miß Leigh van Voreen«, sagte er und nahm meine Hand, um mir einen Handkuß zu geben. Ich errötete und wandte mich eilig zu Mama um. Auf ihrem Gesicht breitete sich gerade wieder dieser Ausdruck aus, der sie wie ein aufgeregtes kleines Mädchen aussehen ließ, und mir wurde augenblicklich flau im Magen.
»Cleave, ich möchte dir gern Townsend Anthony Tatterton vorstellen, von dem du mich schon so oft sprechen gehört hast«, sagte sie. Daddy musterte Tony kurz und lächelte ihn dann so herzlich an, wie er alle anderen Gäste auch angelächelt hatte.
»Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Tatterton.
Ich danke Ihnen dafür, daß Sie meiner Frau eine Aufgabe gegeben haben, die ihr Vergnügen bereitet.«
»Oh, ich bin es, der sich bedanken sollte, da Sie es ihr gestatten, ihr Können auf den Mauern meines Hauses zu zeigen.« Daddy nickte mit zusammengepreßten Lippen und verkniffenen Augen. Ich war nicht sicher, ob er lachen oder lieber weinen wollte. Mama brach das gespenstische Schweigen, indem sie Tony vorschlug, sich einen exotischen karibischen Drink zu besorgen und sich von den Vorspeisen zu nehmen. Er drehte sich um, als bemerkte er die übrigen Gäste erst jetzt.
»Das sieht ja nach einer größeren Sache aus«, sagte er.
»Vielen Dank für die Einladung. Leigh«, fügte er an mich gewandt hinzu, »vielleicht erweisen Sie mir die Ehre, später mit mir zu tanzen.«
Ich war sprachlos. Weshalb ich, wenn all diese unglaublich schönen, eleganten Frauen hier waren? Ich konnte nicht vor all diesen Leuten einfach auf die Tanzfläche treten und mit ihm tanzen. Oh, allein schon bei dem Gedanken wurde mir übel. Er mußte mir meine Angst angesehen haben, denn er lächelte noch strahlender, und dann nickte er Mama und Daddy zu, ehe er zur Bar ging.
»So«, sagte Daddy sofort, nachdem er gegangen war, »ich glaube, die meisten unserer Gäste sind jetzt eingetroffen. Ich muß mich mit dem Kapitän des Schiffes zusammensetzen, um die Reiseroute und ein paar andere Angelegenheiten mit ihm zu besprechen.«
»Jetzt, Cleave?« fragte Mama mit gereizter Stimme.
»Ich fürchte, ja. Du kannst doch hier allein nach dem Rechten sehen, nicht wahr, Jillian? Leigh, hast du Lust mitzukommen?
Du könntest einiges lernen. Schließlich wird all das eines Tages dir gehören. Falls das Geschäft dann noch besteht.«
»Nimm sie bloß nicht mit in den Maschinenraum«, befahl ihm Mama, »wie du es beim letzten Mal getan hast. Sie braucht nicht zu wissen, wie die Maschinen funktionieren.«
»Natürlich muß sie das wissen. Sie sollte alles in- und auswendig kennen, und außerdem«, sagte Daddy, »scheint sie einen Hang zu technischen Dingen zu haben. Ich wette, sie könnte einen Motor inzwischen im Handumdrehen auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, nicht wahr, Leigh?«
»Das ist wohl kaum etwas, womit sich eine junge Dame brüsten sollte«, fauchte Mama. »Ich wünschte, du würdest sie als das behandeln, was sie ist, und nicht wie irgendeinen Wildfang. Also wirklich, Cleave.« Mamas Stimme drückte einen solchen Verdruß aus, als hätte sie sogar die schicke Party vergessen, die um uns herum toste. Ich hielt den Atem an, weil ich fürchtete, sie könnten sich an Ort und Stelle darüber streiten.
»Wir gehen nicht in den Maschinenraum, Mama. Dafür bin ich nicht richtig angezogen.«
»Es freut mich, daß du wenigstens so viel Vernunft besitzt.
Das ist weit mehr, als man von deinem Vater behaupten könnte«, zischte sie und funkelte Daddy wütend an.
»Dann gehen wir doch, damit wir bald wieder zurück sind«, sagte er zu mir, und wir begaben uns auf die Kommandobrücke. Mama kochte vor Wut, soviel stand fest.
Ich hatte den Kapitän der Jillian schon früher kennengelernt, Captain Thomas Willshaw, ein früherer Offizier der britischen Marine. Ich mochte ihn sehr, denn er unterhielt sich richtig mit mir, wenn Daddy und ich mit ihm zusammenkamen,
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