Dunkle Umarmung
Klappstühle für die Gäste wurden bereits in die Halle getragen. Tony hatte Mama erzählt, das sei die vierte Hochzeit, die hier abgehalten wurde.
Sein Urgroßvater, sein Großvater und sein Vater hatten alle auf Farthy geheiratet. Diese Halle hatte eine würdige Tradition, und die großen Porträts von Tonys Vorfahren blickten auf sie herab, wenn er und Mama einander die Liebes- und Treueschwüre ablegten.
Tony kam aus seinem Arbeitszimmer, sobald ihm unsere Ankunft gemeldet wurde. Er trug seine Smokinghose und ein weißes Hemd ohne Krawatte und mit offenen Ärmeln. Zum erstenmal sah ich ihn in so legerer Kleidung. Aus irgendwelchen Gründen erinnerte er mich in dieser Aufmachung noch mehr an einen Filmstar – er wirkte so forsch und so flott.
Mir paßte es nicht, daß Tony derart gut aussah. Daddy war kein häßlicher Mann, aber er war soviel älter, und sein Gesicht hatte Falten und war von den Stunden, Tagen und Monaten auf der See verwittert. Er sah nicht so schick aus; er hatte nie etwas von einem Filmstar gehabt, aber deshalb liebte ich ihn kein bißchen weniger. Wenn Mama und Tony nebeneinander standen, zogen sie die Aufmerksamkeit aller auf sich. Es war, als seien sie vom Titelblatt einer Kinozeitschrift für ihre Fans heruntergestiegen. Es war schmerzlich für mich, zugeben zu müssen, daß sie aussahen, als seien sie füreinander bestimmt.
Dadurch schien mir Daddy in immer weitere Ferne zu entschwinden und dort zu erlöschen wie ein Stern, der vor einer Million Jahren sein letztes Licht ausgesandt hatte. Ich wünschte mir sehnsüchtig, eines Tages einen Mann wie ihn zu heiraten, mit dem einen Unterschied vielleicht, daß er nicht ganz so besessen von seiner Arbeit war.
»Liebling.« Tony nahm Mamas Hände und küßte sie kurz auf die Lippen. Er lächelte und sah sie schelmisch an. »Bist du bereit für die Generalprobe?«
»Natürlich.«
»Deine Garderobe ist für dich vorbereitet.« Er wandte sich an mich. »Hallo, Leigh. Ich wette, du bist nicht so nervös wie ich.«
»Doch, natürlich bin ich das«, sagte ich mit scharfer Stimme.
Ich konnte nichts dagegen tun. Wie konnte er glauben, ich sei nicht nervös… mehr als nur nervös… außer mir? Ich wollte nichts mit dieser Hochzeit zu tun haben, und um ihm diese Tatsache nicht lauthals ins Gesicht zu schreien, riß ich meinen Blick von ihm los.
»Ich bin nicht nervös«, zwitscherte Troy, und das brachte alle außer mich zum Lachen.
»Das liegt nur daran, daß du nicht der bist, der heiratet«, sagte Tony zu ihm. Troy zuckte mit den Achseln, hielt sich aber weiterhin an meiner Hand fest. »Eigentlich ist das gar nicht der schlechteste Zeitpunkt, um Leigh ihre Suite zu zeigen, und genau das werde ich jetzt tun«, sagte Tony und schlug die Hände zusammen.
»Ja, das wäre wunderbar. Findest du nicht auch, Leigh?«
»Ich habe die Zimmer neu einrichten lassen, als Überraschung für dich«, verkündete Tony und sah mich scharf an. Er hielt mir den Arm hin und erwartete, daß ich mich bei ihm einhängte.
Ich sah Mama an. Sie nickte.
»Darf ich mitkommen?« bettelte Troy.
»Du mußt dich jetzt selbst umziehen, junger Mann. Diese Probe findet mit vollständigen Kostümen statt«, sagte Tony.
»Mit Ausnahme der Braut natürlich«, fügte er hinzu. »Es bringt Unglück, wenn der Bräutigam sie vor der Hochzeit in ihrem Brautkleid sieht.«
»Ich will aber…«
»Na, na, Troy«, sagte Tony und sah Mrs. Hastings an.
»Komm, Troy. Ich helfe dir beim Ankleiden.«
»Ich brauche keine Hilfe«, quengelte er. Mama sah finster auf ihn herunter und schüttelte den Kopf.
»Hier entlang«, sagte Tony, und wir stiegen die Treppe hinauf. Mir war wieder ganz flau im Magen, und ich war sicher, daß ich errötete.
Tony führte mich im ersten Stock nach links und blieb im Korridor vor einer Doppeltür stehen.
»Wir sind da«, kündigte er an und riß dann die Doppeltüren mit einer dramatischen Geste auf. »Leigh«, setzte er an und hob die Hand, und ich glaubte schon, er würde sie auf mein Haar legen, doch dann zog er sie eilig zurück. »Ich habe mich bemüht, dieses Zimmer weiblich, aber nicht zu mädchenhaft zu gestalten. Ich hoffe, es gefällt dir«, fügte er mit einer Stimme hinzu, die sich fast zu einem Flüstern gesenkt hatte.
Die Sonne, die durch die zarten, hellen, elfenbeinfarbenen Gardinen drang, tauchte das Wohnzimmer in einen fast unwirklichen Schimmer. Die Wände waren mit einem zarten elfenbeinfarbenen Seidenstoff bespannt, in den
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