Dunkle Umarmung
gewesen.
»Ein Glück, daß wir auf dem Rückweg nur unseren eigenen Fußspuren zu folgen brauchen.« Ich sah mich immer noch um.
»Hier muß es im Frühjahr und im Sommer sehr hübsch sein.«
»Werden wir wieder hierherkommen? Kommen wir wieder, Leigh?«
»Ich denke schon«, sagte ich. Vielleicht konnte das auch mein Lieblingsort werden, dachte ich, vor allem dann, wenn für mich drüben im Haus alles zu schwierig wurde.
»Ich kann Holzscheite von draußen holen«, schlug Troy vor.
»Und wir können ein Feuer im Kamin anzünden.«
»Nein, nein, ich glaube, wir sollten uns lieber gleich auf den Rückweg machen. Alle werden sich fragen, wo wir stecken, und es schneit stärker.«
»Willst du nicht vorher ein Feuer machen, damit wir uns anwärmen können? Hier sind Streichhölzer«, sagte er. Er lief um mich herum und verschwand in der Küche. Er zog einen Stuhl vor den Herd und stellte sich darauf, damit er auf ein Regalbrett greifen konnte, von dem er eine Schachtel Streichhölzer zog. »Siehst du.«
»Ja.«
»Laß uns ein Feuer machen und uns aufwärmen, Leigh. Ich hole auch das Feuerholz«, sagte er. Er ließ die Streichhölzer auf den Tisch fallen und rannte hinaus.
»Troy.« Er war bereits aus der Haustür gelaufen. Ich schüttelte den Kopf und lachte über seine Begeisterung. Ich glaubte nicht, daß wir allzu lange gelaufen waren. Vielleicht war es ganz richtig, sich an einem kleinen Feuer zu wärmen.
Es sah auch ganz so aus, als würde es Spaß machen. Troy kam mit einem Arm voll Feuerholz ins Haus. Er wischte den Schnee von den Holzscheiten.
»Soll ich Feuer machen, oder weißt du, wie das geht?« fragte er.
»Weißt du denn, wie es geht?«
»Klar weiß ich das. Boris hat es mir schon oft gezeigt.« Er legte das Feuerholz in den Kamin und schichtete sorgsam die Scheite aufeinander. Dann öffnete er die Lüftungsklappe, und das bereitete ihm beim ersten Anlauf große Schwierigkeiten.
Schließlich zündete er Reisig an und schob die kleinen Zweige unter die Scheite und die größeren Aststücke. Bald hatte er ein hübsches, kleines Feuer entfacht. Er lief wieder hinaus, holte noch zwei große Scheite und legte sie ins Feuer.
»Sehr gut, Troy.« Ich war überrascht. »Du bist wirklich schon sehr erwachsen.«
»Hier bin ich der Daddy«, sagte er. »Du kannst die Mama sein und uns Abendessen kochen und spülen.«
Ich lachte und überlegte mir, wie sehr ich es mir doch gewünscht hätte, in diesem kleinen Häuschen eine glückliche Familie zu haben. Dafür hätte ich all die großen Räume und tollen Sachen hergegeben.
»Und was wirst du tun – außer Feuermachen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Essen.«
»Ist das alles?«
»Ich weiß es nicht. Was soll ich denn sonst noch tun? Was tut ein Daddy denn sonst noch?«
Der arme Troy, dachte ich, er hatte nie die Gelegenheit gehabt, seinen Vater kennenzulernen und zu erfahren, wie wichtig es war, einen Daddy zu haben. Ich zog den Schaukelstuhl näher vor unser kleines Feuer. Troy kam zu mir, und setzte sich auf meinen Schoß.
»Ein Daddy gibt einem ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit; er gibt dir genausoviel Liebe wie eine Mami, und wenn man wie du ein kleiner Junge ist, spielt er Ball mit einem oder bringt einem Dinge bei oder nimmt einen mit«, sagte ich zu ihm.
»Und was ist, wenn man ein kleines Mädchen ist?«
»Dann macht er dich zu seiner kleinen Prinzessin und kauft dir Geschenke und gibt dir das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, weil er dich so liebhat.«
»Und liebt Daddy die Mami, und liebt Mami den Daddy?«
»O ja, sehr sogar. Für die beiden gibt es keinen anderen Menschen auf der Welt, der wichtiger für sie ist. Die Liebe ist… Liebe ist…« Ich konnte nicht weiterreden. Plötzlich ertappte ich mich dabei, daß ich schluchzte und meine Schultern sich hoben und senkten.
»Was ist?« Er sah zu mir auf. »Leigh, warum weinst du?«
»Ich weine manchmal, wenn ich an meinen Daddy denke.«
»Warum? Weil er nicht hier ist?«
»Mhm.« Ich schniefte ein paarmal und versuchte, mich zu beherrschen.
»Wenn er nicht da ist, werde ich eben dein Daddy sein.
Einverstanden?«
»Ach, Troy.« Ich drückte ihn an mich. »Du bist lieb, aber ich fürchte, das kannst du nicht sein, weil… o nein.«
»Was ist?«
»Sieh nur, wie dicht der Schnee fällt«, sagte ich und deutete aufs Fenster. Es war fast unmöglich, die Kiefern durch den Schneeschauer zu sehen. »Wir sollten jetzt lieber gehen.« Ich stellte ihn auf den Fußboden.
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