Dunkle Verlockung (German Edition)
die Gewalttätigeren unter den Verwandelten in ihrem gedankenlosen Blutrausch zu rasenden Wilden wurden. »Binnen weniger Tage könnte die gesamte sterbliche Bevölkerung seines Gebiets ausgelöscht sein.« Entsetzen hinterließ den dunklen Geschmack von Eisen auf ihrer Zunge.
»Das würde auch erklären, warum ein Vampir gekommen ist, um dich zu töten.« Der beherrschte Klang von Galens Worten verriet ihr, dass er gegen seinen Zorn ankämpfte. »Zumindest einige der Verwandelten müssten den wahren Grund für Alexanders Abwesenheit erkannt haben.«
Abermals sprangen Jessamys Gedanken zu der Erinnerung an dieses überraschende Gespräch mit Alexander zurück. »Bei seinem Besuch kam er in Begleitung einer Vampirin – sie blieb an der Tür stehen, während wir sprachen, war also in Hörweite. Eine große, blauäugige Frau mit ebenholzfarbener Haut.« Der überraschende Kontrast der eisblauen Augen zu ihrer dunklen Haut war der Grund gewesen, aus dem sie sich so fest in Jessamys Erinnerung verankert hatte.
»Sie war eine ranghohe Angehörige seines Hofes.« Und vielleicht gerade zu einer Verräterin geworden. »Wenn sie dahintersteckt, sieht sie es vielleicht als Rebellion gegen die Sklaverei an, die als Gegenleistung für die Verwandlung zum Vampir verlangt wird. Aber wenn sie diese Tür erst aufgestoßen hat … «
Raphael setzte ihren Gedanken fort: »Dann wird sie erfahren, warum die Erzengel mit einigen ihrer Brüder und Schwestern so erbarmungslos sind.«
Galen und Raphael sprachen nun über die Möglichkeiten, Alexanders mutmaßlichen Tod zu bestätigen. Doch während Jessamy auf und ab lief, hatte sie noch immer das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Raphael hatte recht gehabt, die verstrichene Zeit machte ihr Szenario, dass Alexander vergraben worden sein könnte, unwahrscheinlich. Aber selbst wenn man ihn hinterrücks angegriffen hätte, wäre sein Tod nicht still vonstattengegangen. Er war ein Uralter .
Dennoch hatte niemand von Verwüstungen berichtet, und Jason hätten solche Zerstörungen in den Ländereien des Erzengels auffallen müssen. Ob Alexander nun schlief oder wachte … »Er könnte beschlossen haben, sich schlafen zu legen.« Die Worte purzelten über ihre Lippen, noch bevor sie den Gedanken bewusst zu Ende gebracht hatte.
Die Männer hielten mitten im Wort inne und runzelten die Stirn, dann schüttelte Raphael den Kopf. »Er muss gewusst haben, dass es ein Chaos auslösen würde, wenn er so etwas ohne Vorwarnung täte, und zwar nicht nur in seinem Territorium, sondern auf der ganzen Welt.«
»Nicht, wenn er seinen Kommandanten vertraute, insbesondere Rohan.« Galen blickte finster zu Boden, in Gedanken war er eindeutig woanders. »Es ist gut möglich, dass er sich f ür den Schlaf a n einen geheimen Ort zurückgezogen hat. Er könnte die Anweisung hinterlassen haben, den Kader zu informieren, sobald niemand mehr seinen Aufenthaltsort aufspüren kann.«
Ein Teil der Übelkeit in Jessamys Magengegend beruhigte sich, denn genau das konnte sie sich bei Alexander vorstellen. An schlafenden Engeln durfte man nicht rühren, das war eines der grundlegendsten Gesetze. Trotzdem würde kein Erzengel sich für seinen Schlaf einen Ort aussuchen, an dem ihn seine Feinde in diesem angreifbaren Zustand finden konnten.
»Rohan«, sagte Raphael und breitete seine Flügel aus, »ist stark, vielleicht so stark, dass er glaubt, selbst herrschen zu können, auch wenn Alexander andere Anweisungen hinterlassen hat.« Sein Zorn zeigte sich im Glühen seiner Flügel, einem eisigen Brennen, das nichts Gutes verhieß. »Sollte er tatsächlich dumm genug gewesen sein, das zu tun, wird sein Hochmut zur Folge haben, dass Alexanders Volk abgeschlachtet wird.«
Jessamy dachte an die Zeiten in der Geschichte zurück, als die Engel noch nicht erfasst hatten, welches Ausmaß an Blutdurst in den Verwandelten entstehen konnte. Den Preis dafür hatten Tausende Sterbliche mit ihrem Leben bezahlt.
»Der Kader muss informiert werden.« Kühle Worte. »Ich werde in die Zufluchtsstätte zurückkehren und Illium zu Titus und Charisemnon schicken.«
»Wünschst du, dass ich zu Neha und Lijuan fliege?«, fragte Galen. Er sprach von den beiden anderen Erzengeln in der Nähe von Alexanders Herrschaftsgebiet.
Raphael schüttelte den Kopf. »Nein, Lijuan wird es als Beleidigung auffassen, wenn ich sie nicht persönlich informiere. Ich möchte, dass du zu meinem Territorium weiterfliegst. Wenn wir uns irren, wenn Alexander doch
Weitere Kostenlose Bücher