Dunkle Verlockung (German Edition)
angefühlt. Sein Duft war ihr so vertraut, dass es wehtat. Als sie zum Turm zurückgekehrt waren, hatte sie ihn nicht wieder loslassen wollen, und auch er hatte sie einen Augenblick zu lange festgehalten. Aber trotz seines rohen, unverhohlenen Verlangens trat er zurück und ging davon.
Auf ihren Lippen kribbelte eine Sehnsucht, die an jedem Knochen in ihrem Leib zu nagen begann.
Süße Jessamy.
Trace’ seidiges Schnurren drang flüsternd in ihre Gedanken und erinnerte sie an den vergangenen Abend. Obwohl Galen sie freigegeben hatte, war da dieses stechende Gefühl gewesen, sie würde ihn betrügen – und doch hatte sie gewusst, dass sie sich auf den Kuss des Vampirs einlassen musste. Kein Blut, nur ein einfaches Spiel von Lippen und Zungen. Trace war in sinnlichen Dingen sehr erfahren, und es war ein angenehmes Erlebnis gewesen, aber das Herz hatte ihr nicht bis zum Hals geschlagen, und ihr Blut hatte kein Feuer gefangen. Alles, was sie hatte denken können, war: Er fühlt sich falsch an.
In diesem Augenblick hatte sie erkannt, dass sich jeder Mann außer Galen falsch anfühlen würde.
Trace war kein Dummkopf. Er war einen Schritt zurückgetreten, hatte ihr die Hand unters Kinn gelegt und ihr Gesicht angehoben. »Also«, hatte er mit seiner für mitternächtliche Sünden geschaffenen Stimme gesagt, »du gehörst zu ihm.« Ein boshaftes Lächeln. »Nun gut. Ich habe keine große Lust, mir die Knochen in kleine Stücke brechen zu lassen.«
Sie fing eine herabfallende Feder auf, weiß mit goldenen Fasern. Raphael. Der Erzengel war am vergangenen Abend zurückgekehrt und hatte Stunde um Stunde mit Galen und Dmitri bei Kerzenschein in dessen Arbeitszimmer verbracht. Ihr war klar, dass Galen ein immer wesentlicherer Bestandteil von Raphaels Turm wurde. Womöglich wollte er überhaupt nicht mehr in die Zufluchtsstätte zurückkehren.
Wenn das stimmte …
Jessamy empfand pure Freude über ihre neue Freiheit, die Welt zu sehen und über den Himmel zu fliegen. Aber die Zufluchtsstätte war ihr Zuhause. Dort waren ihre Bücher und die Geschichte, die zu hüten ihre Aufgabe war. Und oh, wie sehr sie die Kinder vermisste. Im Turm gab es keine Kinder.
Ein Windstoß, weiß-goldene Federn tauchten am Rand ihres Blickfeldes auf, als Raphael seine Flügel zusammenlegte. »Was wirst du in deinen Geschichtsbüchern über mein Territorium schreiben?«
»Dass dieser Ort genauso wild und vielversprechend ist wie du.« Er war ein Erzengel, aber weil er auch einmal ihr Schützling gewesen war, vergaß sie das manchmal völlig, und dann sprach sie auf diese lockere Weise mit ihm.
Raphaels Lippen krümmten sich, doch in seinen Augen lag eine zunehmende Härte – so blau , so außergewöhnlich – , die Jessamy schmerzte. Die Politik und die Macht veränderten ihn mit der Zeit. »Wie steht es um Alexanders Land?«
»Fürs Erste stabil.«
»Und wie steht es um dich?« Ihr Blick ruhte auf seinem Profil, dessen wilde Schönheit sich immer stärker ausprägte. Schon bald würde sich niemand mehr an den Jungen erinnern, der er einmal gewesen war.
»Ich muss mein Herrschaftsgebiet festigen.« Er trat auf sie zu und ergriff ihre Hände. »Du bist in diesem Territorium immer willkommen, Jessamy. Die Zimmer, die du bewohnst, gehören dir.«
Er sah zu viel, dachte sie, aber andererseits war das einer der Gründe, warum er ein Erzengel war. »Die Zufluchtsstätte ist der Ort, an den ich gehöre.«
»Bist du sicher?« Er deutete mit dem Kopf auf ein Geschwader von Engeln, die gerade durch die dünne Luft zwischen den Wolken tauchten und kreuzten.
Sie folgte seinem Blick, beobachtete jedoch nicht das Geschwader, sondern dessen Kommandanten. In ihrem Herzen brannte ein schmerzliches Verlangen, aber sie wusste, dass die Zeit noch nicht reif war. »Das Herz«, flüsterte sie, »kann etwas sehr Zerbrechliches sein.« Und diese Liebe, die selbst in dem Schweigen zwischen ihr und Galen heranwuchs, war es umso mehr.
13
Galen beobachtete Trace, der den Turm in der schmutzig grün-braunen Kleidung eines Kundschafters verließ. Der Vampir war gut – Galen konnte keine Spur mehr von ihm entdecken, sobald er eins mit dem Wald geworden war. Aber Trace war nicht der Einzige, dem Jessamy aufgefallen war, nachdem sie von ihrem einsamen Posten in der Zufluchtsstätte hierhergeflogen war.
Galen beobachtete, griff jedoch nicht ein … Stattdessen rammte er Dmitri regelmäßig in den Boden.
Nach ihrer letzten Runde wischte sich der Vampir das Blut von
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