Dunkle Visionen
kommen heute runter, Jass ist bereits hier, Kaila und die Kinder werden in ein paar Stunden eintreffen, und Kailas Mann will versuchen, dass er es bis sieben schafft.“ Er zögerte einen Moment und schaute Madison an. „Darryl ist jetzt schon seit ein paar Wochen hier unten, aber wir hatten noch keine Gelegenheit, uns zu treffen, und …“
„Au, mein Daddy kommt, mein Daddy kommt!“ krähte Carrie Anne und klatschte begeistert in die Hände.
„Du hast doch hoffentlich nichts dagegen?“ erkundigte sich Jordan bei Madison.
Sie hatte nicht das Mindeste dagegen; sie und Darryl kamen prächtig miteinander aus. Vielleicht weil sie im Gegensatz zu so vielen anderen Leuten sogar ihre Scheidung auf eine freundschaftliche Art und Weise über die Bühne gebracht hatten.
Aber sie spürte, dass Kyle sie beobachtete, und sie errötete. Verärgert über ihre Reaktion erwiderte sie kühl: „Nein, gar nicht.“
„Jimmy Gates kommt auch“, fuhr Jordan fort, „und eine ganze Bande Einheimischer. Unter anderem deine Band, und Trent hat sich ebenfalls angekündigt. Und Roger nicht zu vergessen. Endlich mal wieder ein richtig schönes, großes Familientreffen.“
Richtig.
Ihre große Chaosfamilie.
Nur Lainie würde fehlen.
Und die Mütter der anderen natürlich auch, räumte Madison innerlich ein. Über Rafes Mutter wusste sie so gut wie nichts, nur dass sie lange Zeit krank gewesen war, bevor sie gestorben war. Kyle war erst ein paar Jahre alt gewesen, als seine Mutter bei einem Autounfall umgekommen war. Einzig Jassys Mutter war noch am Leben, sie wohnte jetzt in Oregon und untersuchte die Auswirkungen Krebs erregender Stoffe auf Haie. Ganz offensichtlich hatte Jassy ihre medizinischen Neigungen von ihrer Mutter geerbt.
Die Mutter von Madisons Halbbruder Trent war eine sanfte, engagierte Wissenschaftlerin gewesen. Jordan hatte sich als junger Mann von ihrem Edelmut und ihrer Hingabe sehr angezogen gefühlt, aber eine Heirat – verbunden mit einem Leben in dem entlegenen Montana, wo sie arbeitete – war für ihn nicht in Frage gekommen. Trents Mutter war vor ein paar Jahren überraschend an einem Herzinfarkt gestorben. Madison hielt Trent für den einzig wirklich Glücklichen von Jordans Nachkommenschaft. Er hatte die Ruhe und Gelassenheit seiner Mutter geerbt. Er war nur schwer reizbar und nicht so leidenschaftlich, dickköpfig oder leicht verärgert, wie sie selbst es sein konnte.
Wie Lainie es so oft gewesen war.
Trent liebte die Literatur und hatte die prägendsten Jahre mit seinem Vater verbracht. Er und Jordan standen sich immer noch nah. Er, Jassy, Kaila und Madison trafen sich mindestens einmal im Monat zum Lunch, gewöhnlich war Rafe auch dabei.
Kyle war das einzige Mitglied ihrer seltsamen „Geschwister“-Gruppe, das immer fehlte.
Und jetzt war er hier.
Der verlorene Sohn war zurückgekehrt. Und ihr Vater plante ein großes Fest.
Merkwürdig. Nun, Jimmy würde auch da sein. Vielleicht gelang es ihr ja heute schon, in Erfahrung zu bringen, von was für einem Fall er gestern gesprochen hatte und warum Kyle hier war.
Jordan wandte sich an seine älteste Tochter. „Es gibt keinen Grund, warum du nicht mitfahren solltest, Jassy. Schließlich bleibt ihr ja nicht ewig da draußen.“ Er warf in gespielter Verzweiflung plötzlich die Hände in die Luft, schüttelte den Kopf und schaute Kyle an. „Ich bringe sie einfach nicht unter die Haube, aber als Gastgeberin für einen alten Mann macht sie sich hervorragend“, fügte er liebevoll hinzu.
Jassy pflückte sich eine Weintraube aus der Obstschale auf dem Tisch und schnitt ihrem Vater eine Grimasse. „Es gibt eben immer noch Leute, für die die Ehe Monogamie bedeutet – und dann gibt es auch noch diesen Schwur, erinnerst du dich? ‚Bis der Tod uns scheidet‘? Manche nehmen solche Dinge ernst, und dann ist es eine verdammt schwere Entscheidung, die zu treffen ich mich bisher außerstande gesehen habe.“
„Jede Frau braucht einen Mann, Jassy“, erklärte ihr Vater.
„Vielleicht hält sie ja immer noch nach dem Richtigen Ausschau, Dad“, warf Madison beschwichtigend ein.
Jordan ließ ein ungeduldiges Schnauben hören.
„Oder“, fuhr Madison fort und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, „sie hat ihn schon gefunden und hat genug Grips, ihn vor uns zu verstecken.“
Jordan drohte Jassy scherzhaft mit dem Finger. „Ich warne dich.“
„Gott behüte“, sagte Jassy trocken. „Ich bin doch erst einunddreißig.“
„Och, du bist aber
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