Dunkle Visionen
will Mommy ja auch angeln“, schlug Kyle vor.
„Mommy hat Lust, neben dem Boot ein bisschen zu tauchen. Angelt ihr beide mal“, sagte Madison.
„Und was ist mit dir, Jassy?“ erkundigte sich Kyle.
Jassy streckte sich faul und gähnte. „Vielleicht. In ein paar Minuten.“
Kyle nahm Carrie mit nach hinten. Madison hörte schwach seine tiefe Stimme und das fröhliche Lachen ihrer Tochter.
„Fünf“, murmelte Madison. „Ein tolles Alter.“
„Hmmm. Mit fünf weiß man noch nicht, dass es Männer gibt“, erwiderte Jassy trocken.
Überrascht stützte Madison sich auf und schaute ihre Schwester an. Sie lächelte. „Ach. Und wie läuft’s denn so bei dir?“
Jassy zuckte die Schultern. „Nichts Neues.“
„Gibt es da jemanden?“
„Hmmm. Kann schon sein.“
„Los, erzähl!“
„Uff … gib mir ein bisschen Zeit, okay? Ich will erst sicher sein, dass es …“
„Keine Eintagsfliege ist?“
„Also, dreimal haben wir uns immerhin schon getroffen.“
„Schläfst du mit ihm?“
„Madison!“
„Reg dich ab, es war ja nur eine Frage.“
„Es geht dich nichts an.“
„Wenn du es deiner Schwester nicht erzählen kannst, wem denn dann?“
„Es ist geheim.“
„Also hast du jetzt oder hast du nicht?“
„Na schön. Ein Mal. Nur ein einziges Mal.“
„Wow! Dann ist es also ernst.“
„Dazu kann und will ich noch nichts sagen. Ich habe … meine Gründe. Aber … Gott, ist der Mann traumhaft!“
„Menschenskind, Jassy, jetzt sag schon endlich, wer es ist.“
„Noch nicht. Und wage es nicht, auch nur einer einzigen Menschenseele davon zu erzählen, versprich es mir.“
„Was sollte ich denn schon groß erzählen? Du hast mir ja nichts verraten.“
„Bitte, ich will nicht, dass irgendjemand erfährt, dass es einen Mann in meinem Leben gibt.“
„Ist ja gut, ist ja gut! Aber du bist schuld, wenn ich jetzt vor Neugier sterbe.“
„Vor Neugier sterben! Das dürfte eine interessante Autopsie werden“, flachste Jassy.
„Uff.“
„Es ist eine faszinierende Wissenschaft“, sagte Jassy ernst. „Es gibt so vieles, was man von den Toten lernen kann, wenn sie nicht mehr für sich selbst sprechen können.“
„Wahrscheinlich hast du Recht.“ Madison sprang auf die Füße. „Aber schau dich um. Die Sonne, das Meer – mein Gott, was für ein herrlicher Tag. Nimm mal ein bisschen Urlaub vom Tod, okay? Ich gehe ins Wasser. Kommst du mit?“
„Ich komme nach. In ein paar Minuten.“
Madison sprang ins Wasser.
Kyle hatte die Anker direkt auf einer Sandbank gesetzt. In der Nähe waren ein paar kleinere Riffs, doch obwohl Kyle schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen war, hatte er nicht vergessen, darauf zu achten, nicht in der Nähe eines Korallenriffs vor Anker zu gehen, weil die Anker die wertvollen Korallen beschädigen würden.
Madison schwamm nach unten, sie schätzte, dass das Meer an dieser Stelle ungefähr fünfundzwanzig bis dreißig Fuß tief war. Das Wasser war perfekt, warm an der Oberfläche, angenehm kühl weiter unten. Sie schoss wie ein Pfeil in die Tiefe, und als sie unten angelangt war, stieß sie sich vom Boden ab, wobei sie den Sand aufwirbelte, und schnellte wieder nach oben. Sie hielt nach dem Boot Ausschau, um Jassy zuzurufen, dass sie reinkommen sollte.
Aber Jassy war nach hinten zu den beiden anderen gegangen. Madison hörte ihr Lachen, Kyles tiefe Stimme und Carrie Annes schrilles Kreischen.
„Wie läuft’s denn so, Leute?“ rief sie stattdessen und hielt weiterhin Abstand. Die Angelschnüre wurden von der Strömung weit nach draußen getragen, und sie war nicht in der Stimmung, sich darin zu verheddern. „Habt ihr schon was gefangen?“
„Mommy!“ krähte Carrie Anne beglückt, rannte zu der hinteren Reling und schaute zu ihr herunter. „Ich habe gerade einen roten Snapping gefangen!“
„Snapper“, korrigierte Madison automatisch. „Toll!“
Jetzt tauchte Kyle neben Carrie Anne auf, auf seiner braunen Brust glänzte ein feiner Schweißfilm, seine Augen waren von der Sonnenbrille verdeckt. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr hoch, Madison. Jassy hat mir erzählt, dass es in der vergangenen Woche hier draußen einen Zwischenfall mit einem Hai gab.“
Sie schaute ihn stirnrunzelnd an. „Kyle, du weißt, dass die Chance, von einem Hai angegriffen zu werden, ungefähr so hoch ist wie vom Blitz erschlagen zu werden. Dieser Taucher hat seinen Fisch harpuniert und ihn sich anschließend beim Hochschwimmen in den
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