Dunkle Visionen
am liebsten im Boden versunken.
Gleichzeitig jedoch kam sie sich absolut undankbar vor, weil sie sich sicher war, dass in dem Bericht der Vorfall nicht in seinem ganzen Ausmaß dargestellt worden war. Kyle wäre beim Einbruch in ihr Haus fast verhaftet worden, nur weil er sich Sorgen um sie gemacht hatte.
Um
sie
.
Sie warf Kyle einen Blick zu, der verärgert mit den Schultern zuckte. „Wenigstens haben sie nicht mitbekommen, dass ich, bevor ich die Chance hatte, meine Dienstmarke zu zeigen, in der irrigen Annahme, ich sei ein Einbrecher, fast erschossen worden wäre.“
„Danke, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast“, murmelte sie zerknirscht. „Und ich möchte mich entschuldigen. Wahrscheinlich wäre es unter diesen Umständen ja doch besser gewesen, wenn ich vor meiner Abreise Jassy oder Dad Bescheid gesagt hätte.“ Sie seufzte tief auf. „Diese verfluchte Reporterin. Sie hat auch nichts in meinem Leben ausgelassen. Müssen sie denn immer und immer wieder die Geschichte vom Tod meiner Mutter aufwärmen?“
„Armes Kind“, sagte Michelle mitfühlend.
„Sie haben dein Haus gefilmt. Kannst du sie nicht wegen Verletzung der Privatsphäre oder so was verklagen?“ fragte Sheila.
„Ich glaube nicht“, murmelte Madison. „Jetzt ist es eh schon egal. Im Übrigen habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, wo ich wohne.“
Kyle schaute sie an. Er wirkte alles andere als erfreut. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war es absolut nicht egal.
„Nun“, sagte Michelle, „dieser Mörder wird sich jetzt schon ein bisschen mehr anstrengen müssen. Nach so einer Warnung werden die jungen Frauen hier in der Gegend bestimmt sehr vorsichtig sein.“
Kyle schüttelte langsam den Kopf. „Wenn es nur so wäre. Wenn sie den entscheidenden Punkt nur alle verstehen würden. Dieser Mann ist extrem raffiniert – und er versteht es, seine Opfer einzuwickeln. Die meisten Leute glauben, dass derart grausame Morde das Werk eines Verrückten sind. Sie sind überzeugt davon, dass sie einen solchen Mann auf den ersten Blick erkennen würden, dass er aussehen müsste wie ein Ungeheuer. Doch hier ist das genaue Gegenteil der Fall. Unser Mörder wirkt ausgesprochen Vertrauen erweckend. Ein Beschützer der Schwachen. Ich hoffe nur, dass wir zumindest ein paar seiner potenziellen Opfer aufgerüttelt haben, und vielleicht schaffen wir es ja, ihn so lange aufzuhalten, bis wir ihn gefasst haben.“
Michelle schüttelte den Kopf und bekreuzigte sich. Hector machte es ihr nach. Madison war versucht, dasselbe zu tun, als sie Kyle anschaute.
„Oje“, murmelte Sheila, „was für ein deprimierendes Ende eines so netten Abends.“ Sie stand sehr nah bei Kyle und lächelte ihn an. „Ich muss gestehen, dass es mir jetzt ein bisschen unheimlich ist, allein nach Hause zu gehen.“
„Kyle hat ein Auto, er kann dich nach Hause fahren“, sagte Madison, obwohl sie den Gedanken hasste.
Versuchte sie Jassy zu beschützen, indem sie herauszubekommen suchte, ob diese eine Romanze mit Kyle hatte?
Ihr war plötzlich ganz elend zumute. Jassy hatte sich frisch verliebt. Wenn es nicht Kyle war, könnte es womöglich …?
Oh Gott, sie musste mit ihrer Schwester reden.
„Das wäre wundervoll“, sagte Sheila und schaute Kyle aus ihren großen Augen an. „Würden Sie das wirklich tun?“ Sie himmelte ihn so an, dass Madison sie am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt hätte.
„Selbstverständlich“, gab Kyle zurück und schaute dabei Madison an. „Wir bringen Sheila nach Hause, bevor wir zum Haus deines Vaters fahren.“
Sheila wirkte plötzlich leicht verstimmt; es war offensichtlich nicht ganz das, was sie sich vorgestellt hatte. Aber sie sagte nichts, und es schien, dass sie wirklich irgendwie nervös war. Auf der Fahrt nach Hause lebte sie jedoch wieder auf. Sie saß auf dem Beifahrersitz neben Kyle und plauderte angeregt mit ihm. Sie erzählte von ihrem Single-Dasein und wie sehr sie normalerweise ihre Unabhängigkeit zu schätzen wisse. „Aber jetzt … na ja … ach was, ich weigere mich einfach, mich einschüchtern zu lassen. Es reicht mir jetzt, wirklich, ich will nicht mehr darüber reden. Madison, ich habe gehört, dass dein Vater an der Eröffnung einer Galerie teilnimmt, die von Kyles Vater gesponsert wird. Wie faszinierend, dass die beiden die ganzen Jahre über so gute Freunde geblieben sind.“
„Die Eröffnung ist am Sonntag“, berichtete Kyle. „Wir würden uns freuen, Sie zu sehen.“
„Oh,
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