Dunkle Visionen
der Vergangenheit nach. Normalerweise war es irgendetwas Bestimmtes am Erscheinungsbild einer Frau, das im Kopf eines Mörders den Stein ins Rollen brachte. Was war es in diesem Fall? Nur das Haar, die Lebenslust? Wo fand der Mörder seine Opfer? Bundy hatte sich auf Universitätsgeländen umgeschaut in der Gewissheit, dort eine Menge junger schöner Frauen zu finden. Aber diese Frauen hier waren etwas älter, Ende zwanzig.
Er kam zu keinem Schluss. Und er war noch nicht annähernd so müde, wie er sein wollte. Er hatte einfach keine Lust, ins Bett zu gehen, nur um sich dann schlaflos von einer Seite auf die andere zu wälzen.
Oder, schlimmer noch, einzuschlafen und womöglich wieder zu träumen, dass er den Flur hinunter zu Madisons Zimmer schlich, um dort den Mörder zu entdecken, der mit einem im Mondlicht aufblitzenden Messer in der Dunkelheit lauerte.
Er schaltete dennoch seinen Computer aus und rieb sich die Augen. Dann stand er auf und ging unter die Dusche. Er seifte sich ein, und anschließend drehte er das kalte Wasser voll auf. Er blieb unter dem kalten Duschstrahl stehen, bis sich seine Haut vor Kälte ganz taub anfühlte.
Nachdem er aus der Dusche gestiegen war und sich abgetrocknet hatte, machte er alle Lichter bis auf das Licht im Badezimmer und die Lampe links neben der Tür aus. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, dass es sinnvoll war, im Dunkeln zu schlafen, während alle möglichen Eingänge erhellt waren.
Er schloss die Augen, aber wie erwartet konnte er nicht einschlafen. Er öffnete sie wieder und starrte an die Decke.
Er könnte einfach aufstehen und den Flur hinuntergehen. Und sie ohne viel Federlesens fragen, ob sie mit ihm schlafen wollte.
Zu unverblümt. Ja. Viel zu unverblümt.
Er könnte den Flur hinuntergehen und ihr sagen, dass er sich ein Glas Wasser hätte holen wollen und sich in der Tür geirrt hätte.
Lachhaft.
Bestimmt schlief sie schon längst.
Dieser verdammte Film hatte sich schon viel zu oft in seinem Kopf abgespult. Er würde ihr Zimmer betreten, und sie würde da sein. Vielleicht in ein Badelaken gehüllt, vielleicht in fließende Seide. Es würde keine Rolle spielen. Die Hüllen würden zu Boden fallen. Wir wollen es beide, lass uns aufhören zu streiten, lass es uns einfach tun, bringen wir es ein für alle Mal hinter uns, vielleicht schaffen wir es dann ja …
Er konnte es nicht; er konnte es einfach nicht. Er glaubte Madison zu kennen, er glaubte manchmal, nur manchmal, aus der Art, wie sie ihn anschaute, wie sie lächelte, wenn sie sich unbeobachtet wähnte, schließen zu können … verdammt, es knisterte einfach zwischen ihnen. Wenn sie nicht bald …
Plötzlich hörte er Schritte. Leise schnelle Schritte, die einen Moment später direkt vor seiner Tür Halt machten.
Er spannte sich an, schwang die Beine über die Bettkante und schnappte sich vom Nachttisch seinen 38er Spezial.
Seine Tür öffnete sich langsam.
Sie stand in dem weichen Lichtschein, der aus dem Bad ins Zimmer fiel. Für einen Moment blieb sie geblendet stehen, während er in der Dunkelheit saß.
Sie trug Seide.
Einen langen smaragdgrünen Seidenmantel, der sich eng an ihren Körper schmiegte. Ihre Kurven modellierte. Das Haar fiel ihr, leuchtend wie ein Flammenmeer bei Nacht, über die Schultern.
Sie war zu ihm gekommen.
10. KAPITEL
„S ag das noch mal, oh, bitte, sag das noch mal“, flehte Jimmy Gates, während er eine Spur kleiner Küsse über Jassys Fessel zog.
Sie lachte. „Morphometrisch.“
„Hmmm … weiter“, bettelte er, ihren Schenkel liebkosend.
„Periostal.“
„Es macht mich rasend, wenn du solche Fachausdrücke benutzt.“
Sie hielt sich den Bauch vor Lachen, stemmte sich an seiner Schulter hoch und sprang aus dem Bett.
„Hey!“
„Ich habe Durst.“
„Na toll. Ich mache leidenschaftlich Liebe mit dir und du verzehrst dich nach einer Cola!“
„Du machst keine leidenschaftliche Liebe mit mir, du machst dich lustig über mich und bringst mich so zum Lachen, dass ich Seitenstechen bekomme. Möchtest du auch etwas?“
Er klopfte neben sich aufs Bett. „Nur dich.“ Er zögerte einen Augenblick, dann zuckte er die Schultern. „Und vielleicht ein Bier.“
„Ein Bier, alles klar. Kommt sofort.“
Jassy flitzte nackt und barfuß in die Küche. Der Lichtschein, der aus dem Schlafzimmer fiel, reichte aus, um den Kühlschrank zu finden. Sie griff sich eine Cola und ein Bier und sicherheitshalber auch noch eine Tüte Chips und rannte dann ins
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