Dunkle Wasser
der Hölle bewahrt hat. Tu so, als wär das heiße Wasser heiliges Wasser. So mach ich’s immer. Denk an kalte Dinge, an Eis, an Tonnen von zerkleinerten Eisstückchen, stell dir vor, du sitzt auf Eis und trinkst ‘ne Cola. Tut nicht weh. Hat mir auch nie weh getan, und ich hab’ ‘ne Baby-Haut.«
Plötzlich stürzte sich Kitty auf mich. Ich verlor das Gleichgewicht, und auf einmal, statt das Wasser nochmals zu prüfen, war ich vollkommen darin untergetaucht.
Das siedend heiße Wasser brannte wie die weißglühenden Kohlen in Old Smokey. Mit geschlossenen Augen schoß ich aus dem Wasser, zog die Knie an und balancierte auf den Händen, während ich versuchte, mit blindwütiger Gewalt aus der Badewanne zu steigen.
Aber Kitty hielt mit starken Händen meine Schultern fest und drückte mich zurück ins Wasser. Ich schrie!
Immer wieder aus Leibeskräften brüllend, schlug ich mit den Armen um mich, so wie es Unsere-Jane und Fanny getan hätten: »Laß mich raus, laß mich raus!«
Patsch! Kitty hatte mich geohrfeigt!
»Sei still! Du Miststück! Daß du mir ja nicht herumkreischst, wenn Cal zurückkommt, daß er denkt, ich bin gemein zu dir.
Bin ich nicht, bin ich nicht! Tu’ nur meine Pflicht.«
Wo war Cal… Warum kam er nicht zurück und rettete mich?
Es war so furchtbar, daß ich nicht mehr schreien konnte, sondern nur nach Luft ringend, hustend und weinend versuchte, Kitty wegzustoßen und die schmerzhafte Bürste loszuwerden, die meine rote, verbrannte Haut herunterriß.
Überall brannte es wie Feuer – auch innerlich. Das Desinfektionsmittel drang durch alle Öffnungen. Ich bettelte um Gnade, aber Kitty war entschlossen, alle Bakterien von mir abzuschrubben, all die ansteckenden Krankheiten, den Dreck der Casteels.
Einer Ohnmacht nahe, glaubte ich Reverend Wayland Wise zu hören, wie er predigte und mich singend ins Paradies begleitete. Ich stand unter Schock. Den Mund weit geöffnet, die Augen aufgerissen, blickte ich in Kittys zerstörungswütiges Gesicht, das wie ein bleicher Mond über mir schwebte.
Das Bad dauerte eine Ewigkeit. Irgendwann wurde das Wasser endlich kühler, und Kitty drückte aus einer orangenfarbenen Flasche ein dunkelflüssiges Shampoo auf meine Haare. Wäre meine Kopfhaut von dem heißen Wasser nicht schon so angegriffen gewesen, dann hätte es vielleicht nicht so gebrannt. So tat es furchtbar weh! Irgendwie fand ich genügend Kraft, um mich zu wehren und zog Kitty beinahe mit in die Badewanne.
»Hör auf!« schrie Kitty und gab mir wieder eine Ohrfeige.
»Benimmst dich ja wie eine Blöde! Ist doch gar nicht so heiß.«
Diesmal steckte sie beide Arme bis zum Ellbogen ins Wasser, und ihr Gesicht war ganz nah an meinem.
Oh – es war aber doch zu heiß.
Es war die schlimmste Erfahrung meines Lebens, dieses vergebliche Sichdrehen, -winden und Umsichschlagen, um Kitty zu entkommen, die Strähne für Strähne meiner Haare mit der übelriechenden, beinahe schwarzen Flüssigkeit einrieb. Es war das Schlimmste, was man meinem Haar antun konnte. Es war lang und fein, und wenn man es zerzauste, dann verfilzte es sich so stark, daß man es nie wieder durchkämmen konnte.
Ich wollte es Kitty sagen.
»Sei still, verdammt noch mal! Glaubst du, ich weiß nicht, was Haare sind und wie man sie wäscht? Ich bin ‘n Profi! ‘n Profi! Ist doch meine Arbeit, seitdem ich erwachsen bin. Die Leute zahlen, um sich ihre Haare von mir waschen zu lassen, und du jammerst. Noch ‘n Ton von dir, und ich dreh’ wieder heißes Wasser an und tauch’ dich so lange unter, bis dir die Haut im Gesicht in Fetzen herunterhängt.«
Ich versuchte, still zu bleiben, und ließ Kitty gewähren.
Nachdem mein Haar eingeseift war, mußte das Ganze einwirken, um das abzutöten, was sich angeblich dort eingenistet hatte. Währenddessen nahm Kitty die langstielige Bürste in die Hand und schrubbte wieder meine wunde Haut.
Ich wimmerte, aber es gelang mir, im Wasser zu bleiben, das langsam abkühlte. Bald wand und wimmerte ich nicht mehr.
Es hätte Kitty sowieso nicht davon abgehalten, mich ordentlich zu bürsten und alle Spalten meines Körpers nach Entzündungen zu untersuchen.
»Ich habe keine Entzündungen, Mutter, wirklich nicht, noch nie…«
Es kümmerte Kitty überhaupt nicht. Sie war entschlossen, unbeirrt das zu tun, was sie sich vorgenommen hatte – auch wenn es mich umbringen würde.
Ein Alptraum, das war es. Dämpfe aus dem Höllenfeuer stiegen auf, worin sich ein fahles Gesicht abzeichnete,
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