Dunkle Wasser
das Beste draus…«
Ich mußte mich also wohl oder übel in das Unvermeidliche fügen. Es tat weh, als ich mir das Nachthemd über den Kopf zog, es tat weh, die Arme zu heben und meine Beine zu bewegen. Wie hatte ich nur so tief schlafen können? Die Erschöpfung war wohl so groß gewesen, daß ich nicht einmal Schmerzen verspürt hatte. Aber die Nachtruhe hatte mir keine Erholung gebracht, da ich die ganze Zeit über schlechte Träume von Tom, Keith und Unserer-Jane gehabt hatte, die mich immer noch verfolgten. Ich setzte mich auf das rosa Seidenpapier des WC, zögerte aber, die Wasserspülung zu bedienen. Dann machte ich mich daran, meine völlig verfilzten Haare zu entwirren.
Durch die dünnen Wände zwischen Bade- und Schlafzimmer drang Kittys Ächzen und Stöhnen, als stelle sie der neue Tag gleich vor Probleme. »Wo, zum Teufel, sind meine Pantoffeln?
Verdammt noch mal, wo ist denn dieses blöde Kind? Wenn sie das heiße Wasser aufbraucht, kann sie was erleben!«
Cals ruhige, sanfte Stimme tröstete Kitty wie ein kleines Kind. »Behandle sie gut, Kitty«, riet er ihr. »Du wolltest sie doch, vergiß das nicht. Warum du allerdings darauf bestanden hast, daß sie in unserem Bett schläft, ist mir unbegreiflich. Ein Mädchen in ihrem Alter braucht ein eigenes Zimmer, das sie nach ihrem Geschmack einrichten kann, wo sie träumen und ihre Geheimnisse haben kann.«
»Hier gibt’s keine Geheimnisse«, brauste Kitty auf.
Er fuhr fort, als hätte sie überhaupt nichts gesagt, und ich schöpfte Hoffnung. »Ich war von Anfang an dagegen.
Besonders nach dem, was du gestern nacht getan hast. Wenn ich nur an die armselige Hütte denke und die rührenden Versuche, sie etwas wohnlicher zu gestalten. In diesem Augenblick wurde mir erst bewußt, wie gut es uns geht. Kitty, auch wenn du deine Töpferscheibe und das andere Zeug nicht aufräumen willst, könnten wir ein Bett und einen hübschen Schrank in unser zweites Schlafzimmer stellen. Dazu einen Nachttisch und eine Lampe und vielleicht noch einen Schreibtisch, wo sie ihre Hausaufgaben machen kann. Also, Kitty… Was sagst du dazu?«
»Dazu sag’ ich nein!«
»Schätzchen, sie scheint ein sehr liebes und nettes Mädchen zu sein.«
Er versuchte sie zu überreden, vielleicht sogar mit Umarmungen und Küssen. Nach den Geräuschen zu schließen, sah ich es fast vor mir, was sie taten.
Eine Ohrfeige! Eine harte Hand, die auf weiches Fleisch klatschte! »Findest sie wohl hübsch, was? Fällt dir jetzt schon auf? Kannst sie aber nicht haben, hörst du? Ich bin geduldig und tolerant, aber daß du mir ja nicht mit ‘m Kind rummachst, das unsere Tochter sein wird.«
Wie laut sie das sagte.
»Schlag mich nie wieder, Kitty«, sagte Cal mit eiskalter Stimme. »Ich ertrage vieles von dir, aber körperliche Gewalt ist mir zuwider. Wenn du mich nicht mit Liebe und Zärtlichkeit berühren kannst, dann laß es ganz sein.«
»Schätzchen, es hat doch nicht weh getan, oder?«
»Es geht nicht darum, ob es weh getan hat oder nicht. Es geht darum, daß ich weder gewalttätige Frauen mag, noch solche, die hysterisch herumschreien. Außerdem sind die Wände dünn wie Papier. Sicherlich ist Heaven davon überzeugt, daß du sie gut behandeln und wie eine Mutter ihre Tochter lieben wirst.
Sie mit ihren Eltern ins Bett zu stecken! Sie ist ein Teenager, Kitty, und kein Kind.«
»Du begreifst ja immer noch nicht, um was es geht!« Kittys Stimme klang äußerst mürrisch. »Kenn’ doch die Mädchen aus den Bergen; du nicht. Du hast ja nicht den leisesten Schimmer, was die alles anstellen, und ‘n Mann brauchen sie auch nicht dazu. Wenn du deinen Frieden hier im Haus haben willst, dann laß mich nur machen.«
Cal verteidigte mich nicht. Kein Wort über das heiße Bad gestern und dessen Folgen – warum nicht? Warum war er im Haus Kitty gegenüber so schüchtern, während er sich im Auto gegen sie aufgelehnt hatte?
Die Schlafzimmertür ging auf. Das Klick-Klack von Kittys Pantoffeln hallte durch den Gang und näherte sich mir. Panik ergriff mich. Schnell schnappte ich eines der verwaschenen Handtücher und wickelte es um meinen wunden Körper.
Kitty trat, ohne zu klopfen, ein und warf mir einen unfreundlichen Blick zu. Dann, ohne ein Wort zu verlieren, riß sie sich das dünne, schwarze Nachthemd vom Leib, schleuderte die Pantoffeln weg und setzte sich splitternackt aufs WC. »Tu was mit deinen Haaren… die sehn furchtbar aus!« sagte sie rundheraus.
Ich zog den Kopf ein, um nichts
Weitere Kostenlose Bücher