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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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während ich das Wasser heiß machte, in dem das Messer sterilisiert werden sollte, bevor ich die Nabelschnur durchtrennte. Ich bemühte mich, das Blut, das wie ein roter Todesfluß aus Sarah quoll, zu stillen.
    Endlich, nach vielen Stunden, währenddessen Vater im Hof mit Großvater, Tom, Keith und Unserer-Jane wartete – Fanny blieb unauffindbar –, kam schließlich unter qualvollen Schmerzen das Baby zur Welt. Sarahs Gesicht war kalkweiß.
    Es war ein kleines, eigenartig stilles und befremdend aussehendes Baby.
    »Junge… Mädchen?« keuchte Großmutter mit schwacher Stimme. »Sag, Kind, ist es nu’ Lukes Sohn und sein Ebenbild?«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    Sarah stützte sich auf, um nachzusehen. Sie starrte unentwegt vor sich hin und versuchte, ihre schweißnassen Haare aus dem Gesicht zu streichen. Ich trug das Baby vorsichtig zu Großmutter hinüber, damit sie sein Geschlecht bestimmen konnte.
    Großmutter sah dort nach, wo die Geschlechtsteile sich hätten befinden müssen – aber weder sie noch ich entdeckten irgend etwas.
    Ich traute meinen Augen nicht. Es war entsetzlich, ein Baby zu sehen, das nichts zwischen seinen Beinen hatte. Aber was machte es schon, daß dieses Kind weder Junge noch Mädchen war, da es tot geboren war und ihm die eine Hälfte des Kopfes fehlte? Es war ein Monster-Kind, übersät mit eiternden Wunden.
    »Tot!« schrie Sarah. Sie sprang aus dem Bett und riß mir das Kind aus den Armen. Innig schloß sie es in die Arme und küßte sein armes, halbes Gesicht dutzend Mal und mehr, bevor sie ihren Kopf nach hinten warf und heulend ihren Schmerz hervorstieß, wie die Wölfe in den Bergen, die den Mond anjaulen.
    »Luke und seine verdammten Huren!« Völlig außer sich rannte sie wie eine Furie zu Vater, der draußen saß, und schob ihm das Kind in die Arme. Geübt nahm er es auf, dann starrte er es ungläubig und voller Entsetzen an.
    »Sieh, was du angestellt hast!« schrie Sarah aus Leibeskräften, ihr einziges Gewand war besudelt mit den Spuren der Geburt. »Du mit deinem schlechten Blut und deiner Hurerei hast dein Kind umgebracht! Hast ‘n Monster aus ihm gemacht!«
    Vater schrie zornentbrannt: »Du bist die Mutter! Was du ausbrütest, hat verdammt wenig mit mir zu tun!« Er schleuderte das tote Kind zu Boden, befahl Großvater, es anständig zu begraben, damit die Schweine und Hunde es nicht zerrissen. Dann machte er sich auf und davon, sprang in seinen Lieferwagen und fuhr in Richtung Winnerrow, um sein Leid zu ertränken und danach wohl zu »Shirley’s Place« zu torkeln.
    Mein Gott, wie furchtbar war doch dieser Sonntag, an dem ich das tote Kind in der Zinkwanne badete und sein Begräbnis vorbereitete. Währenddessen kümmerte sich Großmutter um Sarah, die plötzlich alle Kraft verloren hatte. Es war vorbei mit ihrer Amazonenstärke, sie war nur noch eine Frau, die schluchzend und trauernd auf den Knien lag und mit Gott haderte, warum ihr Kleines für die Sünden seines Vaters hatte büßen müssen.
    Das arme, kleine Ding, dachte ich, während ich Blut und Schleim von seinem winzigen, erbarmungswürdigen Körper, der so still und reglos dalag, abwusch. Ich hätte nicht darauf achten müssen, seinen halb vorhandenen Kopf über Wasser zu halten – aber ich tat es trotzdem. Ich kleidete es in das Gewand, das Keith und Unsere-Jane getragen hatten – und wahrscheinlich auch schon ich und Tom.
    Schließlich fiel Sarah vornüber auf das beschmutzte Bett, sie krallte sich mit ihren Fingern an der Matratze fest und weinte, wie ich sie niemals zuvor hatte weinen hören.
    Solange ich mit dem toten Kind beschäftigt war, hatte ich keine Zeit, mich um Großmutter zu kümmern. Ich mußte sie erst ein paarmal ansehen, bis ich bemerkte, daß sie weder strickte, häkelte, stopfte, flocht, ja nicht einmal in ihrem Schaukelstuhl hin und her wippte. Sie saß nur sehr still da, ihre Augen waren halb geschlossen. Auf ihren dünnen, weißen Lippen lag ein leises Lächeln. Dieses Lächeln jagte mir einen Schrecken ein; eigentlich hätte sie tief betrübt aussehen müssen.
    »Großmutter…« flüsterte ich ängstlich und legte das totgeborene Kind, das gewaschen und angezogen war, hin.
    »Wie geht es dir?«
    Ich faßte sie an. Sie fiel zur Seite. Ich berührte ihr Gesicht, und sie war schon fast kalt, ihr Gesicht beinahe schon steif.
    Großmutter war tot!
    Sie war vor Schreck über die Totgeburt des Monster-Kindes gestorben oder vielleicht auch nur an der jahrelangen Entbehrung!

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