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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Ich schrie auf, und mein Herz krampfte sich zusammen. Ich kniete vor ihrem Schaukelstuhl, um sie zu umarmen. »Großmutter, wenn du in den Himmel kommst, bitte sage meiner Mutter, daß ich mich anstrenge, so wie sie zu sein.
    Bitte, sag ihr das, ja?«
    Ein schlurfendes Geräusch kam mir von der Veranda her entgegen. »Was tust du mir an, Annie!« sagte Großvater, der vom Fluß zurückgekehrt war, wohin er sich zurückgezogen hatte, um nicht mitzuerleben, was Männer nie sehen wollen –
    sie kommen erst dann zurück, wenn die Geburt vorüber ist. Es war die Eigenart der Männer aus den Bergen, vor den Schmerzensschreien ihrer Frauen zu fliehen und so zu tun, als würden ihre Frauen niemals leiden.
    Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte ich auf und wußte nicht, was ich sagen sollte. »Großvater…«
    Seine trüben, blauen Augen weiteten sich, und er starrte Großmutter an. »Annie… ist alles in Ordnung, oder? Steh auf Annie… komm!« Jetzt mußte er es aber bemerken, so wie ihre Augen ihn anstarrten. Er stolperte, seine Beweglichkeit hatte ihn verlassen, als er begriff, daß seine Frau tot war.
    Er lag auf den Knien, nahm mir Großmutter aus den Armen und drückte sie an seine Brust. »Annie, Annie«, schluchzte er,
    »ist so lang her, daß ich dir gesagt hab’, wie ich dich liebe…
    hör mich, Annie! Solltest ‘s viel schöner haben. Wirklich!
    Wußte ja nicht, daß es so kommen würd’… Annie…«
    Es war schrecklich zu sehen, wie er um den Verlust seiner guten und treuen Frau trauerte, die, seitdem er vierzehn Jahre alt war, das Leben mit ihm geteilt hatte.
    Tom und ich mußten Großmutters Leiche aus Großvaters Armen reißen. Und die ganze Zeit lag Sarah auf ihrem Bett, tränenlos, und starrte die Wand an.
    Wir weinten alle beim Begräbnis, sogar Fanny, nur Sarah nicht, die stocksteif und mit leeren Augen dastand wie eine Pappfigur.
    Vater war nicht da.
    Vermutlich befand er sich völlig betrunken in »Shirley’s Place«, während sein jüngstes Kind und seine Mutter begraben wurden. Reverend Wayland Wise, neben dem seine Frau Rosalyn mit unbewegtem Gesicht stand, sprach die letzten Worte für die alte Frau, die alle gemocht und sogar geachtet hatten.
    »Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen«, begann der Reverend. Er hob sein Gesicht zur Sonne. »Herr, erhöre mein Gebet. Nimm diese Frau, Mutter, Großmutter und aufrechte Gläubige sowie diese kleine Seele zu dir – öffnet euch, ihr Himmelstüren, öffnet euch weit! Nimm diese Christin zu dir, Herr, und das Kind, denn sie war ehrlich, einfach und gläubig, und das Kind war unschuldig und rein!«
    Wir wanderten, immer noch weinend, in einem langen Trauerzug nach Hause.
    Die Leute von den Bergen waren alle gekommen, um mit uns zu trauern und den Tod von Annie Brandywine Casteel, einer von ihnen, zu beklagen. Gemeinsam zogen sie mit uns nach Hause, wir sangen und beteten viele Stunden zusammen.
    Danach brachten die Männer den schwarzgebrannten Schnaps, die Gitarren, Banjos und Geigen und spielten eine fröhliche Melodie, während die Frauen Leckerbissen servierten.
    Am nächsten Tag ging ich wieder zum Friedhof und stand mit Tom vor Großmutters frischem Grab und vor dem winzigen Grab, das kaum einen halben Meter lang war. Mein Herz verkrampfte sich, als ich »Kind Casteel« in der Nähe meiner Mutter begraben sah. Ihr Grabstein hatte kein Datum.
    »Schau nicht hin«, flüsterte Tom. »Deine Mutter ist schon lange tot. Es ist Großmutter, die wir vermissen werden. Wußt’
    gar nicht, wie wichtig sie in unserem Leben war, bis ich ihren leeren Schaukelstuhl gesehen hab. Hast du’s gewußt?«
    »Nein«, flüsterte ich betroffen. »Ich habe ihre Gegenwart einfach hingenommen, als würde sie ewig leben. Wir müssen uns jetzt mehr um Großvater kümmern, er sieht so verloren und einsam aus.«
    »Ja«, stimmte mir Tom zu. Er nahm mich bei der Hand und führte mich von diesem traurigen, kalten Ort weg.
    Eine Woche später kam Vater nach Hause. Er sah nüchtern und sehr ernst aus. Er stieß Sarah auf einen Stuhl, zog einen zweiten herbei und begann mit angespannter Stimme zu sprechen, während Tom und ich vor dem Fenster lauschten.
    »Bin in der Stadt zum Arzt gegangen, Sarah. Da war ich jetzt die ganze Zeit. Er hat mir gesagt, daß ich krank bin, sehr krank. Hat mir gesagt, daß ich alle mit meiner Krankheit anstecke und daß ich meine Lebensweise ändern müßte, sonst würde ich verrückt werden und vorzeitig sterben. Hat mir auch

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