Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
eine Steintreppe hinab und bogen in einen langen, verlassenen Flur mit einer Kassettendecke ein. Vor einer hohen, mit Intarsienarbeiten verzierten Tür blieben sie stehen, und der kleine Mann öffnete sie feierlich.
»Sie können hier warten, Monsignore wird Sie empfangen, sobald es ihm möglich ist.«
Casini bedankte sich bei ihm. Er betrat das Zimmer und hörte, wie sich die Tür sanft hinter ihm schloss. Er befand sich in einem luxuriös ausgestatteten Warteraum. In einer Ecke stand eine Madonnenstatue aus Holz, und an der Wand hing ein großes Kruzifix.
Casini setzte sich in einen Sessel und wartete geduldig darauf, dass der Monsignore sich herabließ, ihn zu empfangen. Währenddessen dachte er an Eleonora … Wann würde er sie wiedersehen? Er sehnte sich nach ihren Küssen und danach, in ihren tröstlich warmen Armen einzuschlafen. Früher oder später musste er seinen Mut zusammennehmen und sie bitten, mit ihm zusammenzuziehen, vielleicht in ein altes Haus auf dem Land. Aber er wollte den richtigen Moment dafür abwarten …
Die Tür öffnete sich, und der Mann, den er bereits kannte, erschien. Er forderte Casini auf, ihm zu folgen, und begleitete ihn ins obere Stockwerk. Dort klopfte er sacht an eine dunkle Tür und öffnete sie, um ihn eintreten zu lassen. Casini fand sich in einem großen Raum wieder, der durch einige wenige Antiquitäten edel und nüchtern zugleich wirkte. In der Luft hing ein Geruch nach Weihrauch und verwelkten Blumen. Monsignore Sercambi saß hinter einem antiken Schreibtisch. Er hob gebieterisch den Kopf, der auf einem bemerkenswert langen Hals saß. Sercambi trug eine Brille mit runden Gläsern und dünner Goldfassung auf der schmalen, geraden Nase. Sein kahler Schädel glänzte, als hätte man ihn mit Bohnerwachs poliert, und sein Priestergewand passte perfekt.
Der Kommissar näherte sich, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und blieb in flegelhafter Haltung vor ihm stehen. Der Priester betrachtete den Fremden schweigend mit stahlhartem Blick. An der Wand hinter ihm hing ein weiterer Christus am Kreuz, der drohend über seinem Kopf schwebte wie ein Schwert. Casini beschloss, dem Monsignore die Eröffnung des Gesprächs zu überlassen, und sah ihm nur durchdringend in die Augen. Beide starrten einander lange Zeit an, ohne das geringste Anzeichen von Verlegenheit. Schließlich brach der Priester das Schweigen.
»Mit wem habe ich die Ehre?«, fragte er mit fester, tiefer Stimme. Casini zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch durch die Nase aus.
»Commissario Capo Casini. Mordkommission.«
»Worum geht es bitte. Ich kann Ihnen nicht viel Zeit widmen.«
»Stört es Sie, wenn ich rauche?«, fragte Casini nachträglich; er zeigte sich damit von der unangenehmen Seite. Sercambi antwortete ihm nicht, sondern zog nur kaum merklich die Augenbrauen hoch. Casini grinste.
»Im Grunde sind wir in derselben Branche tätig: Wir beschäftigen uns beide mit dem Tod, nur die Zielsetzungen sind andere …«
»Wie bitte?«
»Ich suche Mörder, um sie hinter Gitter zu bringen, und Sie vergeben ihnen im Namen des Vaters, des Sohnes und so weiter …«, erklärte Casini und malte ein Kreuz in die Luft.
»Kommen Sie bitte zur Sache …«
»Sagen Sie mir, Monsignore, kann jemand, der einen kleinen Jungen vergewaltigt und ermordet, trotzdem in den Himmel kommen?«
»Gottes Barmherzigkeit ist unendlich, wenn der Sünder aufrichtig bereut«, sagte Sercambi eiskalt.
»Das ist ja eine wunderbare Nachricht. Die muss ich sofort an Schaf, Ferkel und Pinguin weitergeben …«
»Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht.« Sercambi blieb vollkommen ungerührt.
»Oh, entschuldigen Sie … ich habe Giraffe vergessen …«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Commissario.«
»Die Maskenfeste, Drogen, der bedauerliche Unfall in der Via Luna … Wissen Sie es jetzt?«
»Noch weniger als zuvor.« Der Mann ließ sich durch nichts aus der Fassung bringen.
»Ich bin hier, damit Sie die Beichte ablegen können. Für einen Mann der Kirche sollte das eine heilsame Pflicht sein.«
»Bitte belassen Sie es nicht immer bei Andeutungen und sagen Sie klar, was Sie meinen«, sagte der Monsignore, aber in seinen Augen stand deutlich die Frage: Wer war der Verräter?
»Entführung, Vergewaltigung, Mord, Beseitigung einer Leiche, Drogenmissbrauch … Ich glaube, das war alles.«
»Ja und?«
»In der Nacht des zwölften Oktober haben Sie und Ihre Spielkameraden in einem Kellerraum in der Via Luna den
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