Dunkle Wünsche
einmal den Blick von der
straff wippenden Hinterfläche zu lösen, während sie mir voran zur anderen Seite
des Podiums hinüberging und einer danebenliegenden Tür zustrebte. Ein langer
Korridor führte an der Küche vorbei — ich hielt um meines Magens willen die
Augen abgewandt — , bis wir schließlich vor einer Tür ankamen, auf der in
abblätternden Goldbuchstaben die Aufschrift Manager stand. Angela hielt sich nicht mit Anklopfen auf,
sondern öffnete schlicht die Tür und trat ein. Ich folgte ihr.
Es war ein Büro mit einer Bar
in der einen Ecke und drei oder vier mitgenommen aussehenden Sesseln auf einem
fadenscheinigen Teppich. Hinter einem ebenso mitgenommen aussehenden
Schreibtisch saß jemand — ein großer kahlköpfiger Bursche mit einem
breitflächigen Gesicht, das von glatter weißer Haut überzogen war, und
verschleierten, sehr kalten blauen Augen. Zwischen seinen kräftigen weißen
Zähnen steckte eine lange Zigarre, und kräftige Hände mit überraschend zarten
Fingern waren damit beschäftigt, Geld zu zählen.
»Mr. Lubell«, sagte das
dunkelhaarige Mädchen mit einer Kleinkinderstimme, »das ist Lieutenant Wheeler
vom Büro des Sheriffs, der mit Ihnen sprechen möchte.« Alles kam in einem
Atemstoß heraus; und als sie fertig war, blieb sie vor ihm mit verschränkten
Händen stehen, erwartungsvoll, ganz das liebe kleine Mädchen, das auf seine
Belohnung wartet.
»Lieutenant?« Lubells Finger
hörten mit Geldzählen auf und arrangierten die Scheine und Münzen in
ordentlichen kleinen Haufen vor sich auf dem Schreibtisch. »Was kann ich für
Sie tun?« Seine Stimme klang in einem tiefen, angenehmen Baß. Ich mußte
fortgesetzt meine ursprüngliche Vorstellung von ihm revidieren.
»Kennen Sie ein Mädchen namens
Elinor Brooks?«
Er nickte kurz. »Klar!«
»Sie ist gestern nacht ermordet
worden.«
»Ja?« Er paffte nachdenklich an
seiner Zigarre.
»Sie gehörten zu ihren Kunden«,
beharrte ich.
»Zu ihren regulären Kunden,
Lieutenant.« Er lächelte schwach. »Sie hat mich eine Menge Geld gekostet, aber
vermutlich kommen Experten aller Berufssparten teuer?«
Seine Gelassenheit ärgerte
mich. Er hätte sich, so fand ich, ein bißchen mehr als Verdächtiger gebärden
können, nervöser und unsicherer.
»Wo waren Sie gestern nacht?«
sagte ich in scharfem Ton.
»Wollen Sie die Frage nicht ein
wenig präzisieren, Lieutenant?« fragte er milde. »>Gestern nacht< ist ein
weiter Begriff.«
»Zwischen ein und zwei Uhr
morgens«, krächzte ich.
»Ich war hier. Denn wir
schließen nicht vor zwei Uhr dreißig.«
»Kann das jemand bezeugen?«
»Dessen bin ich sicher.« Er blickte
auf Angela. »Vielleicht Sie, Honey?«
»Ich ging nach meinem Auftritt
gestern abend sofort nach Hause«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Ich war ab
Mitternacht nicht mehr hier.«
»Nun, Sie können mit dem
Empfangschef und einigen von den Jungens reden, Lieutenant. Ich bin sicher,
jemand hat mich während der Periode, die Sie erwähnen, gesehen.«
»Das werde ich tun«, sagte ich
schwerfällig. »Kennen Sie einen Mann namens Mason — Gil Mason?«
Erneut nickte er. »Ja, sicher.«
»Wo kann ich diesen Mann
finden?«
»Sie meinen, wo er wohnt?« Er
zuckte die Schultern. »Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen, er taucht
nur hin und wieder im Club auf. Im übrigen war es Gil, der mich Elinor Brooks vorgestellt hat.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Er ist ziemlich groß, hat etwa
Ihre Figur, Lieutenant, wenn ich es mir recht überlege. Kurzgeschnittenes Haar
und immer tipptopp angezogen. Ach ja — gerade fällt mir ein, er trägt immer
eine große...«
»Schon gut«, unterbrach ich ihn
mürrisch, »eine Krawattennadel mit einem Diamanten.«
»Stimmt!« Er sah milde
interessiert drein. »Sie haben das bereits gehört?«
»Wie steht es mit einem Mann
namens Drury — Jesse Drury ?«
»Ich habe noch nie was von
einem Mann namens Jesse Drury gehört«, sagte er gleichmütig.
»Wie steht es mit seinem Freund,
dem Neandertaler?«
»Kein Mensch hat jemals etwas
von Jesse Drury oder seinem Leibwächter, dem Gorilla namens Big Mike, gehört.«
Die verschleierten Augen starrten mich eine Weile ruhig an, dann schnippte er
vorsichtig die Asche von der Zigarre. »Pine City ist eine zu kleine Stadt, als
daß jemand zugeben könnte, diese beiden Individuen zu kennen.«
»Wir treiben also hier unsere
Spielchen miteinander, nicht?« sagte ich.
Er zuckte die Schultern. »Jeder
treibt so seine Spielchen.
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