Dunkle Wünsche
Drury treibt sie gewiß — und
zwar recht derbe, Lieutenant. Ich möchte nicht dabei erwischt werden, während
ich die Finger dazwischen habe.«
»Geben Sie mir einen Tip, und
vielleicht muß er dann seine Spielchen aufgeben, weil er eine Mordanklage an
den Hals bekommt«, sagte ich. »Wo erwische ich ihn?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Okay.« Ich schüttelte
sorgenvoll den Kopf. »Ein Jammer, daß Sie gerade Berufsverbot bekommen haben.«
»Was?«
»Ihre Küche ist absolut
unhygienisch«, sagte ich. »Sie haben nicht die vorgeschriebene Anzahl von
Notausgängen. Ihr Barkeeper wässert den Alkohol, Ihre sogenannte Show ist
obszön; und ich wette, daß ich — wenn ich mich sehr bemühe — feststelle, daß
eine Ihrer Striptease-Tänzerinnen minderjährig ist.«
Er paffte ein paar Sekunden
lang heftig an seiner Zigarre und grinste dann finster. »Na gut, Sie können mir
natürlich den Hals zudrehen, Lieutenant. Wenn man in dieser Stadt etwas
unternehmen will, dann redet man erst mit Jesse Drury oder läßt den Gedanken
gleich fallen. Er ist ein Verbindungsglied zwischen Gangstern und Behörden; er
kann Ihnen alles, was Sie wollen, beschaffen. Lizenzen, Grundstücke,
Interessengebiete, wichtige Leute, Lieferanten — verlangen Sie, was Sie wollen,
er beschafft es Ihnen.«
»Aber wohl nicht umsonst?«
»Jesse wird als Gegenleistung
an den Unternehmungen beteiligt.« Er hielt Daumen und Zeigefinger ungefähr
einen Zentimeter weit auseinander. »Nur ein ganz klein wenig, er ist zu smart,
um Habgier an den Tag zu legen.«
»Wenn er ein so großes Tier
ist, warum habe ich dann nie zuvor etwas von ihm in Pine City gehört?« fragte
ich.
»Weil er zu gerissen ist, um
mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten; und wenn jemand auf den Gedanken
kommt, eigene Wege zu gehen, dann muß er sich mit Big Mike auseinandersetzen.«
Er bleckte die Zähne. »Und das kommt einem Selbstmord gleich.«
»Und wie komme ich zu Drury?«
»Ich weiß nicht, wo er wohnt.
Ich bin nicht überzeugt, daß das überhaupt jemand weiß, denn er hält es streng
geheim, aber er arbeitet in einem Büro in der Innenstadt. Die Firma heißt
William Waller & Companie; und wenn es jemals einen William Waller
gegeben hat, so gibt es ihn mit Sicherheit jetzt nicht mehr.«
»Okay.« Ich ließ mir Zeit, eine
Zigarette anzuzünden. »Kommen wir noch einmal auf die Brooks zurück. Kennen Sie
irgend jemanden, der den Wunsch gehabt haben kann, sie umzubringen?«
»Nein. Ich halte es für ein
echtes Verbrechen. Dieses Mädchen war sehr talentiert!«
»Kennen Sie irgendeinen ihrer
anderen Kunden?«
Lubell schüttelte schnell den
Kopf. »Elinor bestand auf einem sehr persönlichen Service, Lieutenant. Das
letzte, was ein Mann, während er gerade genießt, wissen möchte, ist, wer zu
anderen Zeiten ebenfalls an derselben Stelle genießt.«
»Wann haben Sie sie das
letztemal gesehen?«
»Vor zehn Tagen, glaube ich — an
einem Freitag.«
Das entsprach der
Kalenderaufzeichnung. Im Augenblick fiel mir keine Frage mehr ein, aber aus
purer Gewohnheit ließ ich meinen kalten Polizeibeamtenblick noch ein paar
Sekunden auf ihm ruhen. Es beunruhigte ihn etwa ebenso sehr wie eine Fliege an
der Wand.
»Ich schicke morgen jemanden
her, der Ihr Alibi nachprüft«, sagte ich.
»Bitte, jederzeit, Lieutenant.«
Ein bedächtiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als er zu Angela
hinüberblickte. »Wollen Sie was, Honey, oder sind Sie nur spaßeshalber
mitgekommen?«
»Elinor war meine beste
Freundin«, sagte sie kalt. »Ich habe ein persönliches Interesse an all dem.«
»Wenn das so ist«, er ließ sich
Zeit, den Zigarrenstummel im Aschenbecher auszudrücken, »dann sollten wir uns
vielleicht einen neuen Tanz für Sie ausdenken. Zum Beispiel >Klagelied um
eine Nutte«
Ihr Gesicht verzog sich in
plötzlicher Wut, und sie wollte sich auf ihn stürzen, um ihm die Nägel ins
Gesicht zu krallen. Ich packte sie am Arm und zog sie schnell zurück.
»Ich glaube, wir sollten jetzt
gehen«, sagte ich höflich, ihren Arm nach wie vor festhaltend. »Bevor ich
verschwinde, Mr. Lubell, möchte ich Sie noch um einen Gefallen bitten.«
»Bitte, Lieutenant.«
»Wie wäre es, wenn Sie an
meiner Stelle diesen Komiker abschießen würden?«
»Wenn ich einen wirklichen
Komiker herausbrächte, würde das einen Geschäftsverlust bedeuten«, sagte er
leichthin. »Sie glauben doch nicht, daß die Gäste hierherkommen, um zu lachen?«
Das war kein schlechter Abgang,
also
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