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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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weißen Lieferwagen geworden war. Er hatte einen Platten – wie weit konnte er damit gekommen sein?
    Es schien wahrscheinlich, dass er versuchen würde, sich ein anderes Fahrzeug zu besorgen, eher das, als bei der Straßenwacht anzurufen, damit sie ihm beim Reifenwechsel halfen. Demnach würden wir vermutlich ganz in der Nähe den verlassenen Lieferwagen und das Verschwinden eines Fahrzeugs entdecken.
    Aus einem Impuls heraus, der extrem großzügig schien, wenn man bedachte, wie Doakes zu mir stand, wollte ich zu ihm hinübergehen und ihm von meinen Überlegungen berichten. Aber ich hatte gerade die ersten anderthalb Schritte getan, als ich hinter mir ein Geräusch hörte, das sich in unsere Richtung bewegte. Ich drehte mich um.
    Ein feister Mann mittleren Alters in Boxershorts und sonst nichts rannte über die Straße auf uns zu. Sein Bauch hing über den Bund der Shorts und schaukelte wild hin und her.
    Es war offensichtlich, dass er nicht viel Übung im Rennen hatte, und er machte es sich noch schwerer, indem er seine Arme über dem Kopf schwenkte und »He! He! He!« brüllte, während er rannte. Als er endlich die Abfahrt der I-95 hinter sich und uns erreicht hatte, war er vollkommen außer Atem, er keuchte zu heftig, um einen zusammenhängenden Satz hervorbringen zu können, aber ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung von dem, was er uns berichten wollte.
    »De Wifang«, sagte er, und ich erkannte, dass seine Atemlosigkeit seinen kubanischen Akzent verstärkte und er eigentlich »der Lieferwagen« hatte sagen wollen.
    »Ein weißer Lieferwagen? Mit einem Platten? Und Ihr Auto ist weg«, sagte ich, und Doakes starrte mich an.
    Aber der keuchende Mann schüttelte den Kopf. »Weißer Lieferwagen, klar. Ich höre, denke, ist Hund drin, vielleicht verletzt«, sagte er und hielt inne, um tief Luft zu holen, damit er uns das Grauen, das er gesehen hatte, auch richtig vermitteln konnte. »Und dann …«
    Aber er vergeudete seinen kostbaren Atem. Doakes und ich sprinteten bereits die Straße in die Richtung hoch, aus der er gekommen war.

[home]
    21
    S ergeant Doakes hatte anscheinend vergessen, dass er mich verfolgen wollte, da er mich bis zum Lieferwagen um gut zwanzig Meter schlug. Natürlich hatte er den nicht geringen Vorteil, noch beide Schuhe zu besitzen, aber doch, er bewegte sich sehr gut. Der Wagen stand auf dem Bürgersteig vor einem hellroten Haus, das von einer Steinmauer umgeben war. Die vordere Stoßstange hatte einen der Steinpfosten gestreift und umgeworfen, und das Heck des Fahrzeugs hatte sich zur Straße gedreht, so dass wir das leuchtend gelbe »Wähle das Leben«-Nummernschild sehen konnten.
    Als ich Doakes endlich einholte, hatte er bereits die Heckklappe aufgerissen, und ich vernahm das maunzende Geräusch aus dem Inneren. Dieses Mal klang es nicht nach einem Hund, aber vielleicht gewöhnte ich mich auch nur daran. Es war etwas höher als zuvor und ein bisschen abgehackter, mehr ein schrilles Gurgeln als ein Jodeln, aber doch als Ruf der Lebenden Toten erkennbar.
    Es war auf eine der Bänke gefesselt, die man quer gestellt hatte, so dass sie die gesamte Länge des Laderaums einnahm. Die Augen in ihren lidlosen Höhlen rollten wild vor und zurück, auf und ab, und der lippenlose, zahnlose Mund war zu einem runden O erstarrt, und es wand sich in der Art, wie Babys sich winden, aber ohne Arme und Beine gelang es ihm nicht, eine bedeutsame Bewegung zu machen.
    Doakes hatte sich darüber gebeugt und betrachtete die Überreste des Gesichts mit einem intensiven Mangel an Ausdruck. »Frank«, sagte er, und das Ding rollte die Augen in seine Richtung. Das Jaulen verstummte für einen Moment und nahm dann einen höheren Ton an, klagte in einer neuen Agonie, die um etwas zu betteln schien.
    »Sie erkennen das hier?«, fragte ich.
    Doakes nickte. »Frank Aubrey«, sagte er.
    »Woher wissen Sie das?«, erkundigte ich mich. Denn wirklich, man würde doch denken, dass alle ehemals menschlichen Wesen in dieser Verfassung nur schwer auseinander zu halten waren. Das einzige Unterscheidungsmerkmal, das ich entdecken konnte, waren Stirnfalten.
    Doakes schaute es weiter an, aber er grunzte und wies mit dem Kinn auf eine Seite des Halses. »Tätowierung. Es ist Frank.« Er grunzte wieder, beugte sich vor und schnippte gegen einen kleinen Zettel, der an der Bank klebte. Ich beugte mich vor, um ihn näher zu betrachten: Dr. Danco hatte mit derselben krakeligen Handschrift wie immer » EHRE « darauf

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